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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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im Herzen der Nacht.«
    Dann fiel Burin in den Sprechgesang ein, und beide Zwerge vollendeten im Chor:
    »Preis sei dem göttlichen Paare,
das uns beschützt und bewährt,
bis dass am Ende der Jahre
der Körper zu Stein erstarrt.«
    Kim sah sich die Statue des thronenden Zwergen an. Das Licht mochte täuschen, aber der Zwerg auf dem Thron war Gregorin wie aus dem Gesicht geschnitten, als wären sie Zwillinge. Es gab keinen Unterschied zwischen ihnen.
    Und da begriff Kim: Es war keine Statue. Vor ihm saß der am Ende seiner Lebzeit zu Stein gewordene Herr von Zarakthrôr.
    »Du wolltest wissen, was aus Fregorin geworden ist«, sagte Burin leise. »Das, was aus allen Zwergen wird, die der Hand des Meisters der Untererde entsprangen. Hier siehst du ihn, den Fluch des Zwergengeschlechtes; dies ist es, was die Schattenhunde mir zeigten: dass wir alle am Ende wieder zu dem Stein werden, von dem wir genommen sind.«
    Und Kim begriff. Vor seinem geistigen Auge sah er, was es bedeutete, einer von ihnen zu sein: allzeit mit dem Ende vor Augen, allzeit des unabwendbaren Schicksals gewärtig, dass die Tage gezählt sind, die Welt an ihre Grenze stößt und danach – nichts mehr. Weder Gut noch Böse. Weder Licht noch Dunkel. Nur noch Schweigen. Stille.
    »Er war einst groß«, sagte Marina. Ihre Stimme war ungewöhnlich ernst. »Erweisen wir ihm die Ehre.«
    Kim neigte den Kopf.
    In diesem Augenblick griff Gregorin nach dem Buch, das der versteinerte Zwerg auf den Knien liegen hatte, und Kim erkannte sogleich den katastrophalen Fehler, den der Zwerg beging. Doch bevor der Ffolksmann einschreiten konnte, war das erste Unheil schon geschehen. Wie Herbstlaub fiel eine ganze Reihe Seiten heraus und zerbröselte.
    »Nein, Gregorin!«, rief Kim. Der Zwerg erstarrte in der Bewegung. »Lass mich das Buch nehmen. Ich weiß, wie man damit umgeht.«
    Gregorin wandte sich um. Seine Stimme war rau wie Asche. »Er kennt nun den Fluch«, sagte er, zu Burin gewandt. »Soll er auch noch unsere Schande kennen lernen?«
    »Bitte, hört auf ihn«, sagte Burin. »Er leitet ein Museum und ist Herr über Hunderte von Folianten und Dokumenten. Wenn Ihr je erfahren wollt, was geschehen ist, dann ist er vielleicht der Einzige, der dieses Buch lesen kann, ohne es zu zerstören.«
    »Bitte«, sagte auch Kim. »Legt es wieder zurück und lasst mich diese Arbeit tun.«
    Gregorin zögerte. »Gut«, sagte er dann. »Aber sei vorsichtig.«
    »Unvorsichtiger als Ihr wird er wohl kaum sein«, knurrte Burin und erntete einen wütenden Blick des alten Zwerges.
    »Was ist das für ein Buch?«, fragte Kim, als er näher trat.
    »Es ist die Chronik von Zarakthrôr.« Gregorins Stimme war ehrfürchtig, aber zugleich von Abscheu, Trauer und Leid erfüllt. »Das ist die Geschichte unseres Volkes, als es die Untererde verließ, um die große Schmach zu tilgen. Daraus wurde dann die große Schande der Zwerge.«
    »Welche Schande?«, fragte Fabian.
    »Lassen wir die Chronik sprechen«, meinte Gregorin nur.
    Kim behandelte das Buch mit äußerster Vorsicht, als er es von den Knien Fregorins nahm und es zu einem kleinen Tisch trug, der nicht in der Barrikade gegen die Feinde Verwendung gefunden hatte. Er war jetzt ganz in seinem Element.
    Die Drohung, die vor der Tür lauerte, war in weite Ferne gerückt; wie überhaupt die seltsame Stille, welche die Halle umfing, ihm ein Gefühl vermittelte, als habe er alle Zeit der Welt. Es war, als gelte hier unter dem Himmelsgewölbe ein anderes Gesetz, das einem jeden, der ihm unterworfen war, genau die Zeit zumaß, die er brauchte, um seine Bestimmung zu erfüllen. Und dies, so schien es Kim in diesem Augenblick, war die Aufgabe, für die er die langen Jahre mühevoller Studien auf sich genommen hatte. Jetzt endlich würde er Antworten erhalten auf viele der Fragen, welche die Reise ins Herz des Gebirges aufgeworfen hatte.
    Behutsam schlug Kim den Buchdeckel um. Die Titelseite war ausgebleicht oder verwaschen, und nichts war darauf zu erkennen. Mit unendlicher Vorsicht wendete er das Blatt.
    »Da ist etwas«, sagte er. »Es ist dieselbe Handschrift wie auf den Fragmenten im Laboratorium. Ich glaube, ich kann etwas entziffern:
    … der Brüder iij: Bregi + Fregi + Gregi, aus der Hand deß Meysters & von dero Meysterin Gnaden dem Steyne entrungen
    … undt sitzend zu Ihrer Rechten & Ihrer Lincken & in Ihrer Mitten, liesz Er unsre Namen längen vnd nannte uns
    ORI; dass ist Erste, gleych den Fürsten der Erden –
    HAMA; dass ist

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