Die Ringe der Macht
Meyster, gleych Ihm, welcher der wahre Meyster genennet wird –
ARD; dass ist der Namen, der dem Letzten von uns zukommen wird, ehr das Verhängniß naht.«
Er wendete die nächste Seite. Wieder war das meiste unleserlich, bis auf einen Absatz.
»… da aber wir Meyßter genant wurden, kam es uns übel an, dasz wir nichts Lebendigs schöpfen könten gleych dem Meyster, der uns schuf. Denn in jenen Tagen thaten sich auff die zween Thore zu den Mittelreychen, wo das Leben gezeucht wird, ehr daz es vergeht, & wir sahen die Erweckten auff Erden wandlen, die den Todt nicht schauen, & verwunderten unsz sehr.«
Die folgenden Seiten enthielten nur Listen mit Namen; dann folgte wieder ein Textstück, dessen Text jedoch wie von Ruß geschwärzt war, und Kim traute sich nicht, ihn zu reinigen. »Ich glaube, es geht hier um die Schattenkriege«, sagte er. »Da kann ich wieder etwas erkennen:
… und also … auf dasz wir Entsatz brächten den Völckern, welche da widerstritten den Mächten der Finsternus & und verbrachten viele Heldenthaten in jenem Krieg vnd verhergten, entsteckten und schleifften die Feste der Schatten biss auf den letzten Thurm & selbichte wardt in den Abgrundt geworfen, der da klaffet in finsterer Nacht.
Vndt als der Meyster unsz zurück rief, umb zwein von uns die Schlüßel zu geben, welche die Thore der Untererde verschleuszen, da besprachen wir Brüder uns unter einander und beschlossen: dasz eyner von uns zum Meyster zurück kehren solle, als Zeychen unserer Treue/der andre in den Tiefen der Welt verbleibe, umb zu ihren Wurtzeln vorzustoßen/der dritte aber hinausgehen unter die Menschen, umb nach dem Geheymniß deß Lebens zu suchen …«
Alle Blicke richteten sich auf Gregorin. »Ich, Hamagregorin, war es, der zurückkehrte«, sagte er schließlich, als das Schweigen unerträglich wurde. »Mein Bruder Hamafregorin schuf mit den Zwergen seines Hauses die Hallen von Zarakthrôr, doch es scheint, dass er zu tief gegraben hat auf seiner Suche nach den Wurzeln der Welt. Was aus Hamabregorin, dem dritten von uns, wurde, hatte ich nie erfahren …«
»Er wurde mein Vorvater, Ahnherr meines Geschlechtes«, sagte Burin, »der erste der Könige von Yngladân.«
»Aber wie kommt es dann, Burin, dass die Zwerge der Mittelreiche Kinder zeugen können? Du selbst bist doch der Sohn eines anderen«, sprach Fabian das Offensichtliche aus.
»Es gab keine Frauen unter den Zwergen. In der Untererde wurden wir aus Stein geschaffen durch den Willen des Meisters, und wenn unsere Spanne abgelaufen ist, werden wir wieder zu Stein. Aber die Mittelreiche veränderten die Zwerge, die bleiben wollten. Sie lagen Menschenfrauen bei, und diese Verbindungen wurden fruchtbar, und die Zwergengeschlechte der Mittelreiche wurden geboren.«
»Aber warum geschah das nicht auch in Zarakthrôr?«, fragte Kim.
»Weil Zarakthrôr nie völlig zur Mittelwelt gehörte und weil es hier keine Menschenfrauen gab. Aber wichtiger noch: Zarakthrôr war erfüllt vom Geist der Untererde, ohne dorthinzugehören. Diese Stadt unter dem Berg hat ihre eigenen Gesetze.«
Kim hatte zwar zugehört, aber doch in der Chronik der Zwerge weitergeblättert. Leider waren die meisten Seiten zerstört, sei es durch die Zeit oder durch Hamagregorins Unachtsamkeit.
»Hier ist wieder etwas zu entziffern. Hört zu«, sagte er aufgeregt.
… auß den Tiefen der Welt, vom Grunde deß Strudels, schöpften wir die materia prima vnd schufen darauß eyn Weßen, uns ungleych, sonder Selbst, sonder Namen, vndt es diente uns mit seynen Leybern und höhlte für uns Silber & Gold auß den verborgenen Schächten, biss dass eyn Schatten darauff fiel … vnd wandte sich wider uns vnd erschlug viele der Vnsrigen, ehr ich Fregorin ihm endgegen trat & es mit der Macht deß Ringes bannte auff den Grund deß Bronnens wo es liegen mag biss zum Ende der Zeytten.
Darauffhin erschien es mihr weiser, Substaunz zu nemen von unsrer Substaunz/vndt ich vertieffte mich in die Weißheit der Gelahrten & der Grundtstoffe der Welt & der geheymen Zahlen …
Davon habe ich gelesen!«, unterbrach sich Kim aufgeregt. »In dem Laboratorium, in den Fragmenten, die ich in der Eile entziffern konnte. Er sah das Geheimnis des Meisters in greifbare Nähe gerückt …«
»Und was geschah dann?«, wollte Marina wissen. »Warum ist Zarakthrôr so entvölkert?«
Gregorins Gesicht trug einen gequälten Ausdruck. Er wusste es, und Burin ahnte es zumindest; aber beide sagten kein Wort. Kim erkannte es
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