Die Ringe der Macht
herausführte, aber er hatte nicht mehr die Kraft, den Ausgang zu erreichen. Hinter ihm wallte und brodelte es wie aus einem riesigen Kessel.
Burin half ihm auf und stützte ihn. Da fiel Kims Blick auf die letzte der Grabnischen.
Sie war leer.
»Da … da …!« Er konnte nur noch mit dem Finger deuten. Seine Kehle brannte.
Der Sarkophag in der Nische stand offen, unberührt. Dahinter lehnte der Deckel an der Wand der Grabkammer. Auf ihm prangte das Zeichen, das er bereits kannte: die Glyphe des Herrn von Zarakthrôr.
»Komm!«, sagte Burin. »Wir müssen hier raus!«
Mehr taumelnd als gehend, erreichte Kim den Ausgang, der in eine Art Vorhalle führte. Gregorin und Fabian waren bereits dabei, eine schwere, kreisrunde Platte vor die Öffnung zu wälzen.
»Er lebt!«, keuchte Kim. »Er ist nicht tot. Fregorin, der Herr von Zarakthrôr, lebt. Sein Grab ist leer.«
»Ich habe es gesehen.« Burins tiefe Stimme war ungewohnt sanft. »Aber …«
»… wenn er der Letzte von allen war, wer sollte ihn dann bestatten?«, grollte Gregorins Bass.
Tausend Fragen brannten Kim auf der Zunge. Was war hier geschehen? Welches Schicksal hatte die Zwerge von Zarakthrôr ereilt? Wie war diese einst blühende Stätte ausgestorben, wieso und wann und warum? Doch es war keine Zeit für Fragen.
Sie hatten sich vielleicht eine kleine Atempause verschafft, aber die Gefahr war noch nicht gebannt. Sie mussten weiter.
Als sie den Vorraum verließen, führte sie ein schmaler Gang in eine weitere Halle, an deren gegenüberliegenden Seite, im Halbdunkel nur undeutlich auszumachen, eine mächtige, in Stein gefasste Tür nach Norden führte, während sich zur Rechten und zur Linken zwei Gänge auftaten, die beide in absolute Finsternis gehüllt waren.
»Versuchen wir es noch mal«, keuchte Burin. »Auf nach Osten!«
Sie wandten sich dem Gang nach rechts zu. Doch kaum hatten sie die Öffnung erreicht, erkannten sie, dass ihnen wiederum der Weg verwehrt war.
Ein fahles Leuchten flackerte in der Tiefe des Ganges. Wesen wurden darin sichtbar, schemenhafte Gestalten im ungewissen Dämmerlicht. Ihre Formen waren nur unvollständig zu erkennen, doch selbst das Wenige, das Kim sehen konnte, ließ ihn erschauern. Eine wogende Masse von Leibern, wie Ausgeburten der Hölle, die schmatzende Laute ausstießen, welche einem eine Gänsehaut über den Rücken jagten. Dahinter zeichneten sich weitere Kreaturen ab, von denen nur schattenhafte Umrisse zu erkennen waren. Doch eine dunkle Aura des Schreckens umgab sie, die sich über Kims Seele legte, seine tiefsitzenden Urängste weckte und ihn zittern ließ.
»Zurück!«, befahl Fabian. Doch wohin? Die Halle der Toten war ihnen versperrt, und dahinter brodelten der Lavastrom und der zischende Dampf. Und in dem Gang nach Westen wimmelte es ebenso von gespenstischen Gestalten wie in dem, aus dem sie gerade gekommen waren.
Und die Trommeln waren jetzt ganz nah.
In die Reihen der Kreaturen in den Gängen kam Bewegung. Bei jeder Bewegung schmatzte es, als bestünden sie aus Gallert, der über den Fels gezogen wurde. Die Geräusche, welche die Wesen dahinter verursachten, waren fast noch entsetzlicher als ihr schemenhafter Anblick.
»Die Tür!«, keuchte Burin.
Sie hetzten auf die nördliche Tür zu, die ihnen als letzte Rettung geblieben war. Es war ein gewaltiges Portal, umgeben von einem steingehauenen Rahmen, in dem als Relief Zeichen der Macht abgebildet waren: Krone und Amboss, Schwert und Kelch und viele andere mehr. Auf dem linken Flügel, erkannte Kim, war das Zeichen eingraviert, das er bereits kannte: die Glyphe Meister Fregorins. Das Zeichen auf der rechten Seite sagte ihm nichts, aber Gregorin schien es zu kennen, denn er bedeckte es mit der Hand, wie um es zu verbergen.
Die Tür hatte keinen Knauf.
Gregorin und Burin hatten das Portal zur gleichen Zeit erreicht. Nun stemmten sie sich mit aller Kraft gegen die Flügel. »Schiebt!« Ihre gewaltigen Muskeln traten wie dicke Knoten und Stränge hervor. Das Tor rührte sich nicht.
Hinter ihnen krachte und splitterte es. Alle wirbelten herum und zogen, ohne dass einer etwas gesagt hätte, die Waffen.
Die steinerne Platte vor dem Eingang der Katakomben erzitterte. Dann bildete sich ein feiner Riss von oben bis unten, der sich quälend langsam verbreiterte, bis die beiden Hälften mit einem dumpfen Grollen zur Seite kippten. Dampf quoll heraus, erhellt vom flackernden Schein der Glut, die dahinter lauerte, während von rechts und links das
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