Die Ringe der Macht
verwandeln.
Der junge Ffolksmann fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt, und alles um ihn herum versank in Erinnerungen. Die Nagezähne wurden riesengroß, das fuchsbraune Fell wuchs heran, die stechenden schwarzen Knopfaugen, die ihn in den Bann zogen, die Pfoten des Nagers, die wie Hände nach ihm greifen wollten.
Alles war wie damals, als er im Kaninchenbau feststeckte, um Rollo, seinen Hund, zu befreien, dessen Aufgabe es war, die Karnickel aus dem Bau zu treiben; aber da war etwas anderes in diesem Bau gewesen. Kim war erstarrt, als er das schmerzerfüllte Winseln seines Hundes hörte, und noch bevor sein Vater eingreifen konnte, war er in den von Rollo erweiterten Gang gekrochen, um seinem Hund zu helfen. Kim konnte wieder die Erde zwischen seinen Zähnen schmecken. Und dann war er in den großen Bau gefallen, der wie eine Halle war. Er konnte Rollos zerfetzten Körper sehen und dahinter die von Kopf bis Schwanzende fast fünf Ffuß messende Fuchsratte. Sie fletschte die Zähne und kam auf ihn zu.
Kim wurde sich nicht bewusst, dass er Knipper fallen ließ und schrie, als der Schattenhund ihn angriff; zu sehr hielt ihn die Erinnerung an jene schrecklichen Minuten unter der Erde gefangen. Der gewaltige Nager war so real wie damals, und Kim fühlte sich genauso hilflos wie in jenen grässlichen Augenblicken.
»Elei Cúrion ai Coriënna«, klang es schwach wie ein Echo in Kims Ohren auf, und ein Winseln wie das von Rollo erklang. Schmerz und Wut sprachen zugleich daraus.
Nach und nach klärte sich Kims Blick. Er sah sich um, und als Erstes sah er Gilfalas, der hoch erhoben wie eine Statue dastand, eingehüllt in blaues Licht, völlig entrückt, eine Gestalt, als ob sie den Legenden entsprungen wäre. Das Licht, strahlend wie das der Sonne, schien direkt aus seiner Hand zu kommen.
Sogleich erkannte Kim seinen Irrtum: Gilfalas hielt etwas in der erhobenen Hand, etwas Glänzendes, von dem jener blaue Schimmer ausging.
Es war ein Ring.
Ein Ring, ein Zauberring, wie ihn auch Fabian besaß, nur dass das Licht aus des Elben Reif blau erstrahlte.
Die Schattenhunde flohen winselnd, und nach und nach verklangen die Laute voll Schmerz und Zorn. Mit ihnen schwand der diffuse Schleier, der sich über das Licht der Sonne gelegt hatte, und beinahe augenblicklich erklangen wieder Vogelstimmen. Kim atmete erleichtert auf. Die Gefahr war gebannt.
»Das war knapp«, sagte Fabian. Sein Gesicht war aschfahl, und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, als habe er in das pure Grauen geblickt.
Marina war auf dem Boden zusammengesunken. Gwrgi hockte neben ihr und wiegte sich leise schluchzend vor und zurück. Die beiden Zwerge standen Seite an Seite; ihre dunklen Augen blickten ausdruckslos, aber ihre Gesichter waren grau wie Stein.
»Was … was war das?«, fragte Kim.
Gilfalas schien wie aus einem Traum zu erwachen. Er wandte sich zu dem Ffolksmann um, mit einer langsamen, fließenden Bewegung, als sei er noch in einem anderen Raum, einer anderen Zeit befangen, und er sprach mit klarer, aber immer noch entrückt wirkender Stimme.
»Dank sei dem Herrn und der Herrin!«, waren seine ersten Worte. »›Und wenn die Hunde der Nacht mich bedrängen, so erstrahlt doch ein Licht im Dunkel, ein Licht, das niemals vergeht.‹ So heißt es«, fuhr er fort, »in den alten Legenden der Eloai.«
Er hob die Hand, und an seinem Finger war ein Ring; Kim erkannte ihn sofort: glatt und schmucklos, aus einem Metall, das silbern schimmerte, mit einem blauen Stein. Ansonsten war es das genaue Gegenstück zu dem Ring, den Fabian trug.
»Ein Erbstück meiner Sippe«, sagte Gilfalas, »weitergegeben seit Generationen. Mir war aufgegeben, diesen Ring nur in Todesgefahr zu gebrauchen, aber nun ist der Bann gebrochen, und ich bin frei, ihn zu zeigen.«
Kim sah den Elben an. Einmal mehr kam er sich fehl am Platze vor in dieser Gruppe. Anscheinend war er wirklich der einzige gewöhnliche Sterbliche in einer Schar von Auserwählten, von denen jeder seine eigenen Geheimnisse hatte.
»Dann warst auch du«, wandte sich Fabian an den Elben, »auf der Suche nach Wissen um deinen Ring?«
»Alle Hinweise führten nach Elderland«, sagte Gilfalas. »Nur dort konnte ich hoffen, Antworten auf meine Fragen zu erhalten. Und wie sich nun zeigt, bin ich zu spät gekommen. Es wäre gut, mehr über den Ring zu wissen, jetzt, da der alte Feind wieder an unseren Küsten steht.«
»Ein wahres Wort«, meinte Burin, in dessen Augen sich etwas abzeichnete,
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