Die Ringe der Macht
Elben hier ließen jeglichen Ernst vermissen. Die Mittelreiche waren bedroht, und hier wurde herumgealbert, als gäbe es nur den Frühling.
Ein Land ohne Kummer, ohne Sorgen und Leid,
Wo des Sommers Hitze nicht brennt noch des Herbstes Stürme wüten,
Wo kein Blatt vom Baum fällt, ehe der Winter naht,
Wo kein Frost ist, kein Tod, kein Welken und kein Vergehen,
Dort wo die Elben unter den Bäumen den Reigen tanzen,
Den Herrn und seine allzeit junge Braut zu ehren.
Das ist das Land, wo der Frühling ewig währt …
Das war es! Gilfalas ahnte jetzt zumindest, wo er sich befand. Aber waren nicht alle Tore in dieses Land verschlossen? Hatte nicht der Hohe Elbenfürst selbst nach den Schattenkriegen alle Wege in die Überwelt für immer versiegelt? So zumindest hieß es bei jenen, die in den Mittelreichen geblieben waren.
Wie konnte er denn nur hierhergelangt sein?
Gilfalas stieß den Teller zurück und erhob sich. Ein Elbe hatte sich in den Schatten einer großen Eiche zurückgezogen und spielte dort, in Gedanken versunken, nur für sich auf der Leier. Ob er es wollte oder nicht, Gilfalas würde ihn stören.
»Gilfalas«, stellte er sich vor. Seine Stimme klang schroffer, als er es beabsichtigt hatte. »Ich möchte Euch gern einige Fragen stellen.
Als sei er plötzlich aus einem Traum in die Gegenwart zurückgerissen worden, starrte ihn der Elbe mit der Leier verständnislos an. Er unterbrach sein Spiel. Dann schien er begriffen zu haben, was Gilfalas zu ihm gesagt hatte.
»Arlurin, zu Euren Diensten. Bitte, was kann ich für Euch tun? Soll ich ein Lied für Euch spielen, ein Frühlingslied vielleicht oder ein Lied der Liebe …?«
»Später vielleicht«, sagte Gilfalas. »Erst möchte ich Euch bitten, mir zu sagen, wo ich bin.«
»Wo Ihr seid?« Arlurin sah Gilfalas erstaunt an. »Ihr befindet Euch am Rande des Arbalornith, des Großen Waldes zwischen den Bergen des Morgenlichts und den Wassern des Erwachens.«
»Dann bin ich also in der Überwelt?«
»Gewiss. Wo sonst? Ist Euch nicht wohl, Gilfalas?«
»Wahrlich nicht, denn ich komme aus den Mittelreichen. Inglorion der Waldkönig ist mein Vater, Herr der Elben von Talariël.«
»Wie …?« Arlurin suchte nach Worten und fand nur dieses eine.
»Ich weiß es selbst nicht, aber ich muss mit dem Hohen Fürsten reden. Es ist ungeheuer wichtig. Die Dunkelelben haben den Banngürtel durchbrochen und bedrohen die Mittelreiche.«
»Die Mittelreiche? Hier ist die Überwelt. Seid froh, dass Ihr nun hier seid. Eure Sorgen haben ein Ende. Gesegnet ist Euer Schicksal. Der Herr hat es gut mit Euch gemeint.«
»Die Freien Völker werden Hilfe brauchen«, entfuhr es Gilfalas. »Immerhin sind es unsere Dunklen Brüder …«
»Damit haben wir nichts zu schaffen.«
»Was?« Gilfalas spürte, wie sich in ihm der Zorn regte. Eine ganze Welt wurde bedroht, und dieser oberflächliche Jüngling vor ihm ignorierte seine Verantwortung. »Nun, wenn die Dunkelelben versuchen, in die Überwelt zu gelangen, seht Ihr das bestimmt anders!« Gilfalas zwang sich, nicht laut zu schreien.
»Die Überwelt ist sicher. Die Macht des Einen Ringes schützt uns.«
»Ach ja? Wenn die Überwelt so sicher ist, wie komme ich dann hierher?«
Arlurin sah ihn verblüfft an.
»Ist es nicht ein schönes, wenn auch seltenes Gefühl, wenn sich hinter Eurer Stirn ein Gedanke regt?«, fragte Gilfalas spöttisch. »Also, wann bringt Ihr mich zum Ho …«
Er konnte seine Frage nicht mehr beenden. Stimmen wurden laut, und die Musik von der anderen Seite der Lichtung brach abrupt ab.
»Was ist da los?«, entfuhr es Gilfalas, und seine Rechte fuhr wie von selbst zu seinem Schwert.
»Ach, da wird nur einer einen Scherz gemacht haben«, sagte Arlurin matt, immer noch unter dem Eindruck von Gilfalas’ Worten.
Ein Schrei zerriss die Stille, der abrupt in einem Gurgeln endete. Es folgten schrilles Kreischen und Getrampel.
Gilfalas ließ Arlurin zurück und rannte, so schnell er konnte, zur anderen Seite der Lichtung. Ein schrecklicher Verdacht erwachte in ihm. War ihm etwas aus Zarakthrôr gefolgt? Hatte er das Böse in die Überwelt geführt? Hatte er am Ende die Schattenhunde hier losgelassen?
Nein, entschied er sich. Das wäre unmöglich, denn dann hätte er ihr Heulen hören müssen.
Aber was war es dann?
Sagoth fühlte sich bedroht.
Es hatte einige seiner Körper ausgesandt und beobachtet, wie der Auraträger sich erhob und zu den anderen seiner Art ging.
Daraufhin war das Wesen ihrer Spur
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