Die Risikoluege
reden.« Und auf dieses Wieder-miteinander-reden-Können wird es auch in Zukunft ankommen.
Immerhin hat die Katastrophe ein gewisses Umdenken in Politik und Industrie bewirkt. Die schon Ende 1986 beschlossenen Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Rheinwasserqualität und zur Störfallvorsorge haben dazu geführt, dass der Fluss heute sauberer ist als vor 100 Jahren.
Der gute Ruf, den die chemische Industrie in den 1950er-und 1960er-Jahren genoss, wurde durch das Ereignis in Schweizerhalle erneut beschädigt. Schon vor Seveso markierte in Deutschland die Contergan-Tragödie und weltweit das Insektizid DDT den Beginn der heutigen Auseinandersetzung um die Folgen industriellen Handelns. Nach Seveso brachte die Katastrophe von Bhopal die gesamte chemische Industrie auf die Anklagebank. Mit Bhopal wie auch mit Basel kam vor allem die Gefährlichkeit
von großtechnischen Anlagen in die Diskussion und die Frage auf, ob solche Ereignisse trotz einer hohen statistischen Unwahrscheinlichkeit nicht doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit einträfen.
Je mehr sich die Menschen der Gefahren bewusst werden, die von Industrieabfällen und -emissionen ausgehen können, um so skeptischer in Bezug auf die Sicherheit industrieller Produktionen und Produkte werden sie und umso mehr Fragen werden gestellt, denn der Einzelne kann normalerweise nicht die Luft beeinflussen, die er einatmet, und nicht das Wasser, welches er trinkt.
Das vermutlich größte Problem, mit dem sich die in die Kritik geratenen Industrien auch in Zukunft werden auseinandersetzen müssen, aber ist das Missbehagen der Leute, welche nächste Katastrophe auf sie zukommen wird. Zu viele Zwischenfälle und Katastrophen hat es gegeben, als dass diese Skepsis nicht auch berechtigt wäre, zudem diese meist von einer Informationspolitik begleitet waren, die darin bestand, gerade nur so viel zuzugeben und verlauten zu lassen, wie unbedingt notwendig war. Für die Vertrauensbildung und die Erlangung öffentlicher Akzeptanzen ist aber nichts ungeeigneter, als Zwischenfälle zu vertuschen oder sie auch nur zu beschönigen.
Nach Seveso und Basel, Tschernobyl und Fukushima wird es immer schwieriger, den Leuten gute Botschaften über Chemie und Kernenergie zu verkaufen. Die großen Industriekatastrophen sind selten, aber sie kommen immer wieder vor. Und ein Unglück kommt selten allein, wie das Katastrophenjahr 1986 gezeigt hat.
6
Öl geht nie ganz verloren
Die Havarie des Tankers Exxon Valdez, Alaska
24.3.1989
Am 24. März 1989 verunglückte der über 300 Meter lange Tanker Exxon Valdez im Prince William Sound vor der Küste Alaskas. Er war im Besitz der US-amerikanischen Mineralölfirma Exxon Mobil (Esso). Der zum Zeitpunkt des Unglücks mit 163 000 Tonnen Rohöl beladene Tanker lief auf das Bligh-Riff auf, etwa 37 000 Tonnen Öl liefen ins Meer. Das Schiff befand sich Richtung Süden auf dem Weg von der Hafenstadt Valdez, der Ölverladestation der Trans-Alaska-Pipeline. Mit einer Doppelhülle, wie sie heute bei Tankschiffen vorgeschrieben ist, wäre die Katastrophe womöglich vermieden worden oder der Schaden begrenzt geblieben.Wie es zu der Katastrophe kam, ist bekannt. Der alkoholkranke Kapitän Joseph Hazelwood befand sich zu diesem Zeitpunkt betrunken in seiner Kammer. Der durch hohes Arbeitsaufkommen und mangelnde Ruhe vor seiner Wache vermutlich übermüdete Dritte Offizier Gregory Cousins hatte die Verantwortung auf der Brücke und versäumte es — wie vorher mit dem Kapitän abgesprochen –, nach einer Abweichung von der normalen
Route den Tanker auf einen sicheren Kurs zurückzuführen.
Aber auch der für diesen Küstenabschnitt verantwortlichen Küstenwache wurden Versäumnisse vorgeworfen. Eine Radarüberwachung des Tankers hätte das Schiff rechtzeitig vor der Nähe des Riffs warnen können, doch eine solche war nicht in Betrieb. Die Küstenwache wehrte Anschuldigungen mit der Begründung ab, dass die Radargeräte zum besagten Zeitpunkt nicht funktionierten und dass auf dem Stützpunkt kurz zuvor ein Schichtwechsel stattfand.
Die Auswirkungen auf die Umwelt und Wirtschaft der Region wurden auch dadurch verschlimmert, dass die US-Behörden organisatorisch und hilfstechnisch damals nicht auf ein so großes Unglück vorbereitet waren.
Mit der Havarie hatte die Umwelt immensen Schaden genommen. Hunderttausende Fische, Seevögel und andere Tiere starben als direkte Folge der Katastrophe. Und da die Ölreste auch heute noch nicht völlig abgebaut sind,
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