Die Risikoluege
Nuklearunternehmen spezifisches Verhalten, wenn auch von ihnen zu einsamer Höhe kultiviert.
Hat man nun, frage ich mich, aus den verschiedenen Industriekatastrophen der Vergangenheit nichts gelernt, oder hat man es nicht nötig gehabt, etwas dazuzulernen? Hat es nicht genug Zwischenfälle gegeben, bei denen sich Schweigen und Vertuschen für die Unternehmen letztlich nicht ausgezahlt haben? Bemerkt man nicht, dass auch über die vielen verheimlichten Beinaheunfälle schließlich doch Nachrichten durchsickern? Ist es Ignoranz oder Arroganz, wenn Unternehmen in der Krise eine Informationspolitik betreiben, von der man nicht weiß, ob man sie gefährlich oder einfach nur fahrlässig nennen soll? Vermutlich ist es beides.
Allmählich sollte es den Verantwortlichen in Unternehmen und Politik eigentlich einleuchten, dass wo vertuscht auch vermutet, und wo Faules vermutet, von den Medien auch recherchiert wird. Und zwar umso hartnäckiger, je misstrauischer sie geworden sind.
Eigentlich müsste es den Industrien auch klar sein, dass es wesentlich wirksamer ist, selbst die Wahrheit zu sagen, auch wenn diese unangenehm ist, als sie durch die Medien enthüllen zu lassen. Man läuft dabei zwar Gefahr, zunächst
einmal für den Zwischenfall verantwortlich gemacht zu werden, aber man setzt sich nicht der größeren Gefahr aus, als unglaubwürdig und als Lügner dazustehen.
Man kann der Öffentlichkeit viel mehr zutrauen, als man glaubt, man muss sie nicht belügen, um sie zu schonen.
Beschönigen
»Alles ist unter Kontrolle«
Üblich in Katastrophensituationen sind zunächst die Beteuerungen des Betreibers, alles »unter Kontrolle« oder »im Griff« zu haben. Hier ein Beispiel von vielen:
Im August 2011 lief an der von Shell und Exxon (Esso) gemeinsam betriebenen Plattform Gannet Alpha in der zentralen Nordsee Öl aus. Vor der schottischen Nordseeküste breitete sich ein etwa 31 Kilometer langer und bis zu 4,3 Kilometer breiter Ölteppich aus. Der Maritime and Coastguard Agency wurden vom Betreiber keine Informationen über die Menge des ausgetretenen Öls und den Stand der Reparaturarbeiten gegeben, das Leck »sei unbedeutend«, hieß es. Dabei handelte es sich nach Angaben der britischen Behörden um den größten Störfall dieser Art seit mehr als einem Jahrzehnt. Als es nach tagelangen Bemühungen schließlich gelang, das Leck zu schließen, wurde vom Konzern lediglich berichtet, dass die Lage »unter Kontrolle« sei, verbunden mit dem beruhigenden Hinweis, dass der Ölteppich »von den Wellen auf natürlichem Weg verteilt werde«.
Wenn bei einem Industrieunfall die Situation von dem einen als »im Griff«, und von dem anderen als »ernst« oder »außer Kontrolle« dargestellt wird, so müssen wir annehmen,
dass keiner von beiden etwas Genaues weiß. Also gehen wir bei der eigenen Beurteilung der Lage erst einmal von der schlechteren Alternative aus. Eigentlich ist dies keine unverständliche Situation.
Etwas nicht oder noch nicht zu wissen, wird in der Schadensbekämpfung selten zugegeben. Zwar wäre das für die Öffentlichkeit auch nicht gerade beruhigend, aber es ist immer noch besser, als mündige Bürger mit Lügen zu täuschen.
»Für alle Zwischenfälle liegen Krisenfahrpläne vor«
Dies ist eine ebenfalls gern gemachte und daher uns allen wohlbekannte Aussage. Bei Wikipedia heißt es: »Ein Krisenfahrplan ist ein Regelwerk, das während einer Krise die Vorgehensweise beschreibt und als Handlungskatalog dient.« Und von allen Betreibern großtechnischer Anlagen wird auch immer wieder behauptet, dass diese Einsatzpläne vorlägen, sodass eine Reihe von technischen und organisatorischen Maßnahmen unmittelbar nach Bekanntwerden eines Zwischenfalls eingeleitet werden können.
Nun, vorliegen tun diese Pläne wohl, aber wie wenig sie offensichtlich nützen, haben uns die Bilder aus Fukushima gezeigt. Da sahen wir in und um den havarierten Reaktor umherirrende Menschen in weißen Schutzanzügen, die uns deutlich gemacht haben, dass man auch in einem hoch technisierten Land wie Japan im Katastrophenfall weniger strategisch als improvisatorisch vorgeht. Nicht, dass dies in so einer Situation nicht völlig verständlich und menschlich wäre, nur sollte man nicht so tun, als könne dies nicht so sein und als habe man alles und zu jeder Zeit im Griff. Das, was in Fukushima passiert, kam in den Handbüchern vermutlich gar nicht vor.
Aber auch ohne Erbeben und Tsunami ist das mit dem fahrplanmäßigen Ablauf von
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