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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Heilmann
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bei Katastrophen schnell nervös reagieren. Dass wir uns in der Flut von halbwahren und richtigen, irrtümlichen und möglichen, falschen und gefälschten Informationen, mit denen wir überflutet werden, überhaupt noch einigermaßen zurechtfinden, zeigt eigentlich nur, dass das, was man den gesunden Menschenverstand nennt, so leicht nicht außer Betrieb zu setzen ist.
    Jedenfalls ist unser Vertrauen in die Fähigkeit der Industrien, Zwischenfälle und Katastrophen zu beherrschen,
und zwar in technischer wie in kommunikativer Hinsicht, nicht mehr groß. Die vielen Beispiele der Vergangenheit, von Seveso bis Bhopal, von Windscale über Tschernobyl bis Fukushima, rechtfertigen diese Skepsis.
    Angesichts der Zahl der Opfer, der nach wie vor unüberschaubaren Folgen und einer inzwischen höchst sensibilisierten Öffentlichkeit werden Katastrophen, wie wir sie kennengelernt haben, eine nüchterne Analyse in Zukunft kaum noch zulassen, vor allem auch deshalb, weil es kein Maß gibt, mit dem menschliches Leid gemessen werden könnte.
    Neben den angeführten Beispielen hat es weltweit noch zahlreiche weitere Unglücke bis Katastrophen gegeben, die bei uns weniger in die Medien gelangten. Ich nenne beispielhaft den Bereich Energie und Rohstoffe:
    Zwischen 2000 und 2010 ereigneten sich auf Bohr- und Ölförderplattformen fünf Unfälle mit 39 Toten, im gleichen Zeitraum 18 Öl-Unfälle mit erheblichen und nachhaltigen Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt sowie existenzbedrohenden Schäden für die betroffenen Menschen.
    Von 2000 bis 2010 kam es zu sechs Chemieunfällen mit 244 Todesopfern.
    Im Bereich kerntechnische Anlagen gab es von 1980 bis 1989 sechs, von 1990-1999 zwei Unfälle und von 2000 bis 2009 einen Unfall, alle zumindest mit der Stufe 4 auf der internationalen INES-Skala einzuordnen.
    Von praktisch allen Dingen, mit denen wir uns umgeben haben und die wir benutzen, weil wir sie brauchen oder nützlich finden, gehen Gefahren aus, vor allem dann, wenn bei ihrer Verwendung Fehler gemacht werden. Ich nenne wichtige Beispiele:
    Im Bereich Straßenverkehr sind es Kraftfahrzeuge, Straßen
und Autobahnen, sowie Einrichtungen der Verkehrsregulierung, im Luftverkehr Flugzeuge, Flughäfen und Einrichtungen der Flugsicherung.
    Beim Wasserverkehr sind es Personenschifffahrt und Fährverkehr, die Container- und Tankschiffe.
    In der Chemie sind es die großtechnischen Anlagen und ihre Produkte: Chemikalien für den häuslichen und gewerblichen Gebrauch, herkömmliche oder gentechnisch erzeugte Agrarprodukte, in der pharmazeutischen Industrie Medikamente und Impfstoffe.
    Und im Bereich der Energiewirtschaft sind es Bergwerke, Wärme- und Kernkraftwerke, Bohrplattformen und Ölgewinnung, Anlagen der Nutzung von Wind, Wasser und Sonne.
    Viele dieser Dinge, wie beispielsweise Autos, Flugzeuge und Arzneimittel, sind bereits erstaunlich sicher und werden laufend sicherer gemacht. Andere – wie manche großtechnische Anlagen – könnten mit zusätzlichem Aufwand noch wesentlich sicherer gemacht werden. Und wieder andere fallen in den Bereich Hochrisikotechniken, wie die Nutzung der Kernkraft, die vom Betreiben bis zur Entsorgung und Endlagerung derart große und zumindest mit unseren heutigen Möglichkeiten unlösbare Probleme mit sich bringen, dass die politische und gesellschaftliche Diskussion über den Verzicht auf sie vollkommen verständlich ist.
    Im Folgenden will ich für die in den vorangegangenen Kapiteln angeführten Beispiele eine Bilanz ziehen, also bestimmte unternehmerische Verhaltensmuster erkennbar machen, die sich trotz aller Unterschiedlichkeit wie ein roter Faden durch diese Ereignisse hindurchziehen und auch auf viele der hier nicht genannten Unfälle zutreffen sollten.
    Schweigen
    Schweigen, so lange es geht, steht bei allen Katastrophen an erster Stelle der Unternehmensstrategien. Seine Dauer hängt davon ab, für wie lange es von der Unternehmensführung für zweckmäßig gehalten wird. Meist liegt es zwischen Stunden und Tagen, kann aber auch länger andauern.
    Gewiss, im Augenblick der Katastrophe ist es nicht immer möglich, sofort ihre Ursachen zu erkennen und das Richtige zu sagen. Was man sagt, kann kurz darauf schon wieder falsch sein. Außerdem besteht bei technischen Pannen zunächst immer noch die Möglichkeit, dass sich der Schaden am Ende als begrenzt erweist. Deshalb wird zunächst – um die Öffentlichkeit nicht hellhörig zu machen – geschwiegen, um nicht etwas zu sagen, was vielleicht

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