Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
besonders martialisch aus. Für die Brückenwache hatte er sich mit zwei Schwertern bewaffnet, die er in speziellen Scheiden gekreuzt am Rücken trug, sodass die Griffe über seine Schultern ragten. Ob er wirklich mit beiden Schwertern gleichzeitig focht, wusste ich nicht, jedenfalls sah er in dieser Montur ziemlich furchteinflößend aus. Auch war er mindestens ein Jahr älter als ich. Sershan dagegen war in meinem Alter, während ihre beiden Kampfgefährten etwas jünger waren. Aus ihren Gesprächen schnappte ich endlich die Namen der beiden auf: Es waren der Lange Igor und Romka.
    Die meisten Jungen und Mädchen gerieten im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren auf die Inseln. Maljok, der
mit nicht einmal ganz sechs Jahren »fotografiert« worden war, und ich, dem mit vierzehn Jahren die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, ins Große Spiel einzugreifen, waren offenbar Ausnahmen von der Regel.
    Zuletzt kamen die Jungen zurück, die auf der Westbrücke Wache gehalten hatten: noch zwei Igors, Ilja und Kostja. Sie hatten gerade damit begonnen, weitschweifig von ihren Heldentaten im Kampf gegen die Ritter der Insel Nr. 12 zu erzählen, als ein strafender Blick von Chris sie traf und augenblicklich verstummen ließ.
    Daraufhin ergriff unser Kommandeur das Wort. Mit knappen Sätzen berichtete er, dass Janusch und Tolik im Gefecht verwundet worden seien, den Kampf aber tapfer fortgesetzt hätten. Dann erzählte er noch von der brenzligen Szene, als Maljok in einem unaufmerksamen Moment - er war noch durch den tragischen Absturz des Jungen von der Insel Nr. 24 abgelenkt - ein gegnerisches Messer abbekommen hatte.
    Als Chris schließlich auf mich zu sprechen kam, stellte er das Geschehene beinahe so dar, als hätte ich die Angreifer quasi im Alleingang auseinandergejagt, ihm, Chris, das Leben gerettet und obendrein noch beispiellosen Edelmut bewiesen, indem ich einen vor Angst erstarrten, hilflosen Gegner verschonte. Dass es sich dabei um ein Mädchen gehandelt hatte, erwähnte er nicht, obwohl er es sehr wohl mitbekommen hatte.
    Dem mir in den Kopf steigenden Hitzegefühl nach zu schließen, lief ich gerade puterrot an. In meiner Verlegenheit wusste ich nichts Vernünftiges zu entgegnen. Im Gegenteil, als Chris den von mir verschonten feindlichen Kämpfer erwähnte, wäre mir beinahe herausgerutscht, dass ich mit diesem »Feind« schon seit Jahren befreundet
war. Aber hatte ich mir diese unbegreifliche Begegnung nicht doch nur eingebildet?
    Mit einem Mal kamen mir Zweifel, ob ich auf der Brücke tatsächlich Inga getroffen hatte. Mir fiel ein, dass sie mich nicht beim Namen genannt hatte. Und den Vorschlag, sich nachts heimlich zu treffen, hätte ich vielleicht von einem Mädchen erwartet, das schon seit Jahren auf den Inseln lebte und davon beeindruckt war, im Kampf verschont zu werden - zu Inga hingegen passte dieses Verhalten überhaupt nicht. Sie hatte in solchen Dingen niemals die Initiative ergriffen.
    Meine Überlegungen wurden von Ritas Erscheinen unterbrochen, die sich zu uns gesellte, Chris etwas ins Ohr flüsterte und sich dann an alle wandte:
    »Kommt rein, das Abendessen ist fertig!«, rief sie.
    Das brauchte sie uns nicht zweimal zu sagen. Wir gingen in den Thronsaal hinunter und machten uns hungrig über die aufgetischten Speisen her: Fleisch, Brot, Kartoffeln, Gurken, Tee mit Konfekt … Tee mit Konfekt? Was war das nun schon wieder für ein Hokuspokus? Es mochte ja sein, dass irgendwo auf der Insel Getreide und Kartoffeln gediehen. Aber in mattes Papier gewickelte, billige, pappsüße Karamellbonbons? Die wachsen schließlich nicht auf den Bäumen! Ungläubig strich ich das Einwickelpapier glatt und stellte fest, dass es keinerlei Beschriftung aufwies. Lediglich eine grüne Insel, umspült von blauen Wellen, war darauf zu sehen. Entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, beugte ich mich zu Tolik hinüber, der neben mir saß.
    »Sag mal, woher kommt eigentlich das ganze Zeug?«, fragte ich flüsternd.
    »Von den Hausherren«, antwortete er gelassen.

    »Von wem?« Ich verstand nicht.
    »Von’n Auferirdifn«, mampfte Tolik, an einem Stück Fleisch kauend.
    Wahrscheinlich war in meinem Kopf irgendeine Sicherung durchgebrannt, denn ich hatte aufgehört, mich über irgendetwas zu wundern. Meine Kapazitäten für sprachloses Erstaunen waren für diesen Tag schon aufgebraucht, und so hörte ich emotionslos zu, als mir erzählt wurde, dass die Essensreste jeden Abend in Küchenschränke geräumt würden, in denen

Weitere Kostenlose Bücher