Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Zunge. Mit einem Seitenblick fahndete ich instinktiv nach Maljok und sah gerade noch, wie er durch die halb offene Tür entschwand.
»Chris!«, rief ich. »Maljok haut ab!«
Der Anführer zuckte kurz zusammen, einen Wimpernschlag später deutete er zur Tür und brüllte: »Timur! Tolik! Fangt Maljok ein!«
Alle gleichzeitig rannten wir los. Als Erster, noch vor Timur und mir, sprintete Tolik in den Gang hinaus.
3
DIE NACHT DER ENTDECKUNGEN UND DER MORGEN DER ENTSCHEIDUNGEN
Wir holten Maljok ein, als er gerade das Gatter entriegeln wollte, hinter dem sich die Kellertreppe befand. Tolik packte ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich herum.
»Hiergeblieben, Bürschchen!«, sagte er nahezu väterlich. »Wo rennst du denn hin?«
Die rötliche Flamme der am Ende des Ganges brennenden Fackel tauchte die beiden in ein flimmerndes Halbdunkel.
Maljok sah Tolik mit zu kleinen Schlitzen verengten, blitzenden Augen an und sagte leise: »Was willst du, kann ich nicht mehr hingehen, wohin ich will?«
»Kannst du wohl, aber warum läufst du davon? Und was hast du dort unten verloren?«
»Erkläre ich dir gleich«, sagte Maljok und rammte Tolik im selben Moment das Knie in die Magengrube.
Tolik krümmte sich vor Schmerz und wich einen Schritt zurück. »Du spinnst wohl!«, japste er.
Maljok hatte bereits das Gatter aufgestoßen und wollte gerade zur Treppe laufen, als er plötzlich der Länge nach auf den Boden schlug; Tolik hatte ihn mit einer sehenswerten Grätsche von hinten umgemäht.
»Du wolltest es so, Maljok. Wie kannst du nur …«, sagte Tolik fast schuldbewusst, das Gesicht immer noch schmerzverzerrt. Da traf ihn ein Fußtritt des kleinen Jungen, der sich wieselflink wieder aufgerappelt hatte, in die Rippen, und Tolik flog unsanft gegen die Wand.
Erneut spurtete Maljok in Richtung Kellertreppe, prallte jedoch an Timur ab, der sich inzwischen breitbeinig vor dem schmalen Treppengang aufgebaut hatte.
»Du hast doch gehört, dass du hier bleiben sollst«, sagte Timur mit gleichgültiger Stimme und sah den kleinen Jungen ungerührt an.
Panisch blickte Maljok sich um und sah Chris und mich hinzueilen. Der Rest stürmte auch schon den Gang entlang.
»Tim, lass mich durch!«, fiepte er verzweifelt.
»Vergiss es«, beschied ihn Timur trocken.
Da zog Maljok mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Dolch aus dem Gürtel und stach auf Timur ein. Als wir bei den beiden ankamen, war der Kampf bereits vorbei. Maljok lag rücklings und mit ausgebreiteten Armen am Boden, als wäre er von einer Dampfwalze überrollt worden, und gab keinen Mucks mehr von sich. Timur stand, von Tolik gestützt, daneben und griff sich an die rechte Seite. An seinem zerrissenen T-Shirt trat ein kleiner roter Fleck hervor.
»Halt dich fest, Tim«, sagte Chris und fasste ihn unter der Achsel. Er und Tolik stützten den schwankenden Hünen jetzt von beiden Seiten. »Kannst du gehen?«
Die soeben herbeigeeilte Rita stieß einen gedämpften Schrei aus. Verwundungen an der Leber endeten oft tödlich, weil die Wundsalbe in diesen Fällen meistens nicht half.
»Alles in Ordnung«, presste Timur hervor und lächelte gequält. »Das ist nur ein Kratzer. Der Dolch ist zum Glück hölzern geblieben. Anscheinend wollte er mich nicht wirklich umbringen, obwohl er einen lebensgefährlichen Leberstich gesetzt hat.«
Skeptisch sah Chris sich die kleine Wunde an und schüttelte den Kopf. »Glück gehabt. Und was ist mit dem da?«, fragte er, auf den geplätteten Maljok deutend.
»Der kommt in einer Viertelstunde wieder zu sich.«
»Sehr gut.« Chris kniete sich neben Maljok hin und fesselte ihm mit einem Gürtel die Hände.
An Rita geklammert, fing Tanja leise zu weinen an. Ilja machte den Mund auf und wollte etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben.
»Bringt ihn in den Thronsaal«, befahl Chris, nachdem er die Fessel fest angezogen hatte, und klopfte sich angewidert die Hände ab. Tolik wuchtete Maljok über seine Schultern und trug ihn, gebückt unter der Last, schweigend davon.
»Was geht hier eigentlich vor?«, platzte Sershan auf einmal heraus und packte Chris am Handgelenk. »Wieso haben wir ihn verfolgt? Warum kam es zu diesem Kampf? Klär uns mal auf, Kommandeur. Du hattest doch angeordnet, ihn zu fassen.«
Chris sah sich nach mir um und nickte mir zu. »Erklär du es. Du weißt anscheinend mehr als ich.«
Alle starrten mich an und warteten darauf, was ich sagen würde. Meine ausgetrockneten Lippen mit der Zunge befeuchtend,
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