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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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In diesem Augenblick gewahrte ich, dass Inga, die mich ihrerseits fragend angesehen hatte, meinem verträumten Blick nicht länger standhalten
konnte; die Röte stieg ihr ins Gesicht, so heftig, dass selbst die Sonnenbräune es nicht verbergen konnte. Diesen Erfolg musste ich ausbauen.
    »Gefällt’s dir auf unserer Insel nicht?«, fragte ich in gekränktem Tonfall.
    »Doch schon, es ist eine schöne Insel«, entgegnete Inga mit einer wegwerfenden Handbewegung und fügte dann sehr ernst hinzu: »Was mir nicht gefällt, sind die Inseln an sich. Die Tatsache, dass man sich hier gegenseitig umbringen muss - und nicht irgendwelche Monster, sondern völlig unschuldige Jungen und Mädchen.« Bei diesen Worten schluckte sie und unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen. »Und diese Außerirdischen … Ich habe immer das Gefühl, dass sie uns beobachten, sogar in der Burg.«
    »In der Burg können sie uns nicht überwachen«, widersprach ich.
    »Das glaube ich nicht!«
    »Inga, wir haben das doch besprochen. Und wir haben uns einen Plan ausgedacht, wie wir alle wieder zurückkehren können.«
    Sie nickte. »Natürlich, Dima. Ich werde mir ja auch alle Mühe geben. Nur habe ich die Befürchtung, dass daraus nichts werden wird.«
    »Dann fliehen wir eben. Das nützt zwar wahrscheinlich auch nichts - du kennst ja die Geschichte vom Verrückten Kapitän. Aber egal, wir fliehen trotzdem.«
    Inga sah mich zufrieden an. »Lieber segeln wir mit ihm, als hier auf den Inseln zu bleiben«, sagte sie wild entschlossen. »Wenn uns die Außerirdischen auf dem Meer in die Mangel nehmen, heuern wir als Matrosen beim Verrückten Kapitän an.«

    Als wir den Scheitel der Brücke erreichten, waren Chris und Timur mit der »Vorbereitung des Schlachtfeldes« bereits weit fortgeschritten. Ein Junge hing, mit weit aufgerissenen, aber leblosen Augen zum Himmel starrend, rücklings über der Balustrade. Schon nach einem flüchtigen Blick wusste ich, dass ihm nicht mehr zu helfen war, und wandte mich seufzend ab. Inga stieß einen markerschütternden Schrei aus und begann hemmungslos zu weinen. Offenbar kannte sie den Jungen ganz gut aus ihrer Zeit auf der Insel Nr. 24 und hatte ihn gemocht.
    Zwei weitere Jungen der »feindlichen« Insel setzten den Kampf noch fort. Sie sahen ziemlich übel zugerichtet aus, sodass am Ausgang des Gefechts kaum ein Zweifel bestand. Einige Meter dahinter befand sich ein vierter Verteidiger der Insel Nr. 24. Er war auf die Knie gesunken und hielt sich mit der Hand die Schulter, aus der das Blut in Strömen floss. Er musste schnellstmöglich verbunden werden, denn selbst war er dazu nicht mehr in der Lage.
    Chris und Timur schienen keinen Kratzer abbekommen zu haben. Neben ihnen stand, lässig auf sein Schwert gestützt, Tolik und verfolgte gelangweilt den ungleichen Kampf. Als Chris uns bemerkte, gab er Timur einen Klaps auf die Schulter und verließ die Kampfzone in unsere Richtung. Timur, der bislang wie alle anderen auch mit einem Schwert gefochten hatte, hielt einen Moment lang inne, zog sein zweites Schwert hinter dem Rücken hervor und wetzte die Schneiden beider Waffen aneinander. In der entstandenen Stille klang das Rasseln des Stahls besonders schauderhaft. Von der »gebrauchten« Klinge löste sich ein schwerer roter Tropfen und fiel klatschend auf den Marmorboden.

    »Nein …«, wimmerte einer seiner Gegner schlotternd.
    Timur machte einen Satz nach vorn und schwang gleichzeitig beide Schwerter, deren Konturen verschwammen, während sie wie Propellerflügel durch die Luft wirbelten. Es folgte ein kurzes Klirren und Scheppern, und die Waffen der beiden Vierundzwanziger segelten in hohem Bogen über die Brückenbalustrade. Mit einem dumpfen Schmatzen schluckte sie Sekunden später das Meer. Timur hatte sie ihnen mit wenigen kräftigen Hieben einfach aus der Hand geschlagen. Wehrlos standen ihm die Gegner nun gegenüber, starrten ihn mit kalkweißen Gesichtern an. Ihr schwer verwundeter Gefährte versuchte, die Zähne zusammenbeißend, aufzustehen, doch schon nach wenigen Sekunden knickten seine Beine ein, und er sank erneut auf die Knie. Er war etwas älter als die anderen beiden, etwa vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, und am ganzen Körper von Schnittwunden übersät. Tränen rannen über sein Gesicht, obwohl er krampfhaft versuchte, sie zurückzuhalten. Schließlich resignierte er und kippte vornüber auf den Boden.
    Dies war der Moment für Ingas Auftritt, die völlig abwesend und von Zeit zu Zeit leise

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