Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
es draußen noch dunkel war.
Das war es! Es herrschte eine ungewohnte Kälte in meiner Kammer, sicher nicht über zehn Grad. So kühl war es selten auf den Inseln, nicht einmal im Freien, bei Regen und heftigem Wind. Außerdem schien das Wetter draußen im Augenblick gar nicht so schlecht zu sein.
In der vagen Hoffnung, dass sich die Kälte nur in der Burg und in den steinernen Wänden meiner Kammer verschanzt hatte, öffnete ich das Fenster. Doch von draußen schlug mir noch viel kältere Luft entgegen; ich begann zu schlottern. Der Luftschwall, der von außen hereindrang, schien mit jedem Moment immer noch eisiger zu werden. Völlig konsterniert kletterte ich übers Fensterbrett auf den Wehrgang hinaus.
Nur wenige Meter entfernt stand Chris ans Geländer gelehnt und sah äußerst ungewohnt aus. Er steckte in einem kanariengelben Wollpullover, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Den Kopf in den Nacken gelegt, starrte er angestrengt in den Himmel.
Als ich zu ihm trat, sah er zwar aus dem Augenwinkel kurz in meine Richtung, verharrte aber in seiner beobachtenden Haltung und sagte nichts.
»Wo sind die anderen?«, fragte ich verstört.
»Ilja und Tom sind beim Fischen, der Rest schläft«, erwiderte er knapp.
»Und wer ist auf den Brücken?«, fragte ich beinahe vorwurfsvoll.
Chris grinste. »Niemand. Es ist zu kalt. Die Brücken haben sich nicht zusammengeschoben, keinen Zentimeter, soweit ich das von hier aus beurteilen kann.«
Natürlich. Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass sich der Spalt zwischen den Brücken nur schloss, wenn diese von der Sonne aufgeheizt wurden.
»Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es hier so kalt werden kann«, murmelte ich kleinlaut, wie um meinen etwas großspurigen Ton von vorhin zu entschuldigen.
»Hätte ich auch nicht für möglich gehalten«, sagte Chris nickend.
Die Kälte kam so überraschend, als hätte man uns über Nacht von unserer tropischen Insel in die sibirische Taiga verpflanzt. Mich fröstelte.
»War es früher nie so kalt?«, fragte ich.
»Nein. Aber früher haben wir auch keine Brücken in die Luft gejagt.«
Die Arme vor der Brust verschränkend, fasste ich mich mit den Händen an den Schultern. Eine dumme Pose, als ob einem davon wärmer würde. Tom hatte sich auf diese Weise zusammengekauert, als er auf der Insel gelandet war und sich plötzlich fremden Mädchen und Jungen gegenüber gesehen hatte.
»Chris, haben wir noch warme Sachen zum Anziehen?«
»Frag Rita, die findet schon irgendwas.«
Schlotternd strebte ich der nächsten Tür zu. An der
Schwelle stehend, übermannte mich dann doch die Neugier. »Was starrst du denn so hartnäckig in den Himmel? Suchst du nach den Außerirdischen?«
Chris schüttelte den Kopf, als hätte er meine ironische Frage ernst genommen.
»Die Sonne suche ich. Es sind kaum Wolken am Himmel, trotzdem sieht man nirgends die Sonne. Ist doch seltsam, oder?«
Nach dem Mittagessen begann es zu regnen. Zunächst war es nur ein feiner Niesel, der unsichtbar und lautlos vom Himmel kam. Wir hatten uns schon am Vormittag im Thronsaal versammelt, unterhielten uns, tranken Tee und versuchten, die in unsere Knochen kriechende Kälte, so gut es ging, zu ignorieren. Rita hatte alle Vorräte an warmer Kleidung, die sich in der Burg fanden, unter uns verteilt. Es waren Pullover, Jacken und Mäntel derjenigen Inselbewohner, die zur Winterszeit von der Erde entführt worden waren.
Mir hatte Rita eine hochwertige Allwetterjacke aus schwarzem und silbergrauem Stoff zugedacht, in die unzählige Taschen eingenäht waren. Das edle Stück sah aus wie ein Raumanzug. Meine Freunde auf der Erde wären vor Neid geplatzt, wenn sie mich darin hätten sehen können. Die Jacke war eine Nuance zu klein und stand mir dadurch, wie ich fand, besonders gut. Ein praktisches Detail bestand darin, dass man die Kapuze und die Ärmel mit einem Reißverschluss abtrennen konnte, so würde ich im Gefecht in meiner Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt sein. Dieser Gedanke war allerdings ein wenig abwegig, denn bei den herrschenden Temperaturen war an Kämpfe überhaupt nicht zu denken. Der
Spalt zwischen den Brücken hatte sich nicht nur nicht verringert, sondern war sogar um eineinhalb Meter breiter geworden.
Als die Mädchen für einen Moment den Saal verlassen hatten, nutzte Meloman die Gelegenheit, um einen schmutzigen Witz zu erzählen. Wir brüllten vor Lachen, nur Tom blickte verständnislos in die Runde, weil er kein Wort
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