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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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dickes Blut.
    »Steh schon auf!«, brüllte ich ihn verzweifelt an. »Los, aufstehen!«
    Doch ich hatte kaum zu Ende gesprochen, als ich begriff, wie sinnlos meine Worte waren. Er konnte nicht mehr stehen, geschweige denn kämpfen. Der nächste Mann stieg über ihn hinweg, nahm vorne in der Schlachtreihe seinen Platz ein. Dann wurde Turold von helfenden Händen nach hinten weggezogen, weg von den feindlichen Waffen, und das war das Letzte, was ich von ihm sah.
    Außerdem hatte ich meine eigenen Sorgen. Vor mir stand ein Kerl, der mich mit einer Axt bedrohte. Doch sein Schlag war so schwach, dass ich ihn mühelos abwehren konnte; dachte ich jedenfalls, bis der Mann die gebogene Klinge oben hinter meinem Schild verhakte. Ich begriff erst zu spät, was er vorhatte. Dann riss er mit einem Ruck meinen Schildarm nach unten; ich verlor das Gleichgewicht und stolperte über die Mauerreste nach vorne. Auf dem schlammigen Boden vor der Mauer rutschte ich auf den Gedärmen der Feinde aus, die ich gerade erst niedergemetzelt hatte, und landete direkt vor den Füßen des Mannes, der schon zum tödlichen Schlag ausholte.
    Irgendwo in der Ferne vernahm ich den klagenden Ton von Kriegshörnern. Direkt neben mir hörte ich Stimmen. Doch in meinen Ohren rauschte das Blut so laut, dass ich weder verstehen konnte, was sie sagten, noch ob sie mich meinten. Ich wälzte mich auf den Rücken und schaffte es gerade noch rechtzeitig, den Schild hochzureißen. Der Hieb des Engländers prallte am Buckel ab und traf den Schild dabei mit solcher Wucht, dass Teile der Lederbespannung davonflogen. Warum die Klinge meinen Hals verfehlte, werde ich nie erfahren. Abermals hob der Mann die Axt hoch über den Kopf. Als er meine Helmbänder sah, verzog sich sein halb zahnloser Mund zu einem befriedigten Lächeln, und er sonnte sich bereits in seinem künftigen Ruhm.
    »Godemite!«, brüllte er, und sein pockennarbiges Gesicht verfärbte sich vor Wut tiefrot.
    Mein Speer lag etwas mehr als eine Armlänge von mir entfernt. Deshalb ergriff ich das Heft meines Schwertes, zog es mit einem Ruck aus der Scheide. Bevor der Kerl den zweiten Schlag anbringen konnte, zielte ich mit dem Schwert auf seine Beine – gewiss kein eleganter Hieb, dafür allerdings umso wirksamer; zumal er ihn nicht kommen sah. Die Klinge erwischte ihn voll am Knöchel, durchschnitt Fleisch und Sehnen, zertrümmerte Knorpel und Knochen und trennte seinen Fuß so vollständig ab, dass sein Bein nur noch ein blutiger Stumpf war. Mit einem gellenden Schrei krachte er – wild mit den Armen rudernd – rückwärts zwischen die Schilde seiner Kameraden und ließ die Axt fallen.
    Ich konnte kaum glauben, dass ich noch am Leben war, rappelte mich aber sofort auf, nahm wieder meinen Platz im Schildwall ein und machte mich schon auf die nächste feindliche Speersalve gefasst. Aber Eudo und Serlo gaben mir Flankenschutz und hielten mir die Feinde vom Leib. Hinzu kam, dass die Engländer aus einem mir unbekannten Grund zu zögern schienen. Offenbar wussten sie nicht recht, wie sie ihren Vorteil nutzen sollten; dabei konnte ihnen nicht entgangen sein, dass unsere Zahl rasch dahinschmolz. Doch in der Schlacht kann das geringste Zögern verheerende Folgen haben, das hatte ich selbst schon mehrfach erlebt, und ich wusste, dass wir diese Chance nutzen mussten.
    »Vorwärts!«, brüllte ich trotz meines zertrümmerten Schildes. Meine Stimme klang heiser, als ich das Schwert hoch in die Luft stemmte und abermals laut schrie: »Vorwärts!«
    Die Widerstandskraft eines Schildwalls hängt von der Zahl der beteiligten Männer ab und davon, wie dicht gestaffelt sie nebeneinander stehen. Sobald es jedoch gelingt, eine solche Formation an irgendeiner Stelle zu durchbrechen, gibt es meist kein Halten mehr. Und genau das passierte auch jetzt, als wir an der Stelle, wo vorher der Mann gestanden hatte, dem ich den Fuß abgetrennt hatte, einen Durchbruch schafften. Denn die Engländer hatten die Reihe dort noch nicht wieder geschlossen. Mein Schwert war überall gleichzeitig: rechts und links, tanzte von Feind zu Feind, parierte, vollführte rasche Stöße, Schläge, Hiebe, bahnte sich seinen Weg durch die Angreifer vor und neben mir. In diesem Gedränge kam alles auf die richtige Beinarbeit an, die richtige Kampftechnik. Und wir gewannen tatsächlich die Oberhand, machten die Engländer im Dutzend nieder und schafften es sogar, dass sie zu ihren walisischen Verbündeten flohen. Tatsächlich war es uns gelungen, die

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