Die Ritter des Nordens
zuschiebt?«
»Selbstverständlich erhält Earl Hugues Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzulegen, doch ich kenne Fitz Osbern besser als die allermeisten. Und wenn er auf jemanden hört, dann auf mich. Er wird gewiss einsehen, dass Ihr keine Schuld tragt. Schließlich konntet Ihr ja nicht ahnen, dass die Waliser Euch dort auflauern.«
»Scheint so, als ob der Wolf das ganz anders sieht«, sagte ich säuerlich. »Was für ein arroganter, verwöhnter Schnösel. Kein Mensch würde doch auf ihn hören, wenn seine Familie nicht zufällig so reich wäre.«
Robert sah mich streng an. »Ich verstehe Euren Zorn«, sagte er dann. »Keiner von uns ist glücklich mit der Situation. Trotzdem tut Ihr Euch keinen Gefallen, wenn Ihr Euch Hugues zum Feind macht.«
»Ich bin wütend, weil gestern so viele Männer gefallen sind«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Außerdem habe ich einen Gefolgsmann verloren, und Maredudd und Ithel sind auch tot. Alle drei waren gute Krieger, und keiner von ihnen hatte es verdient, so früh zu sterben.«
Damit drehte ich mich um und ging weg. Es gab ja ohnehin nichts mehr zu besprechen. Außerdem wollte ich allein sein, meine Gedanken sammeln und mir überlegen, was ich sagen wollte, falls Fitz Osbern mich später doch noch zu sich bitten sollte.
Ich fand tatsächlich ein wenig Ruhe, doch nicht lange, da es bis zum Morgengrauen nur noch wenige Stunden waren. Bei Sonnenaufgang stieg ich auf einen Hügel und ließ den Blick über das Lager weiter westlich und über die Höhenzüge in der Ferne schweifen, deren Hänge im Morgenlicht erstrahlten. Irgendwo dort hinter den Hügeln lauerten Bleddyn und Eadric; es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie uns angriffen, und was dann geschah, wusste nur Gott allein.
Ich saß immer noch gedankenverloren oben auf dem Hügel, als Beatrice plötzlich erschien. Sie hatte nur ihre Dienerin Papia mitgebracht, die mit dem Pferd in der Nähe wartete, sonst war sie allein.
»Ich nehme an, dass Euch Euer Bruder geschickt hat«, sagte ich, ohne ihr einen Gruß zu entbieten.
Sie schien mir diese Unhöflichkeit nicht zu verübeln, oder ließ sich zumindest nichts davon anmerken. Um die Wahrheit zu sagen: Ich hatte nicht gut geschlafen und war noch genauso wütend wie am Vorabend.
»Nein, das hat er nicht«, sagte sie. »Als ich gehört habe, was passiert ist, dachte ich, dass Ihr vielleicht gerne mit jemandem reden möchtet. Eure Männer haben gerade ihre Schwerter geschärft, als ich dort war, aber sie wussten auch nicht, wo Ihr steckt.«
»Dann habt Ihr mich also gesucht?«
»Hätte ich lieber nicht kommen sollen?«
Ich wusste selbst nicht recht, ob ich eher verärgert oder dankbar sein sollte, entschied mich dann aber für die Dankbarkeit. Im Augenblick war ich einfach froh, dass mir jemand Gesellschaft leistete. Wenn ich in Earnford gewesen wäre, hätte ich bei Leofrun Trost suchen oder zu Father Erchembald gehen können. Doch hier, inmitten all der fremden Gesichter und all der Männer, die offenbar einen Groll gegen mich hegten, fühlte ich mich einsamer als je zuvor.
»Nein«, sagte ich schließlich. »Ich bin froh, dass Ihr da seid.«
Sie raffte sorgfältig ihren Rock und setzte sich dann neben mich in das feuchte Gras. »Earl Hugues hat uns verlassen. Es wird Euch gewiss freuen, das zu hören.«
»Ich habe schon davon gehört.«
Hugues war schon in aller Herrgottsfrühe abgezogen, sodass nur wenige es mitbekommen hatten. Angeblich waren in Ceastre Unruhen ausgebrochen, weil die Bewohner der Stadt sich gegen den Verwalter erhoben hatten, den der Wolf dort eingesetzt hatte. Es hieß, seine Ritter hätten den Reeve der Stadt geschlagen und eingesperrt. Sie hatten dem Mann sogar die rechte Hand abgehackt, als sie festgestellt hatten, dass er es den Kaufleuten weiterhin gestattete, auf dem Markt die alten Silbermünzen mit dem Namen des Usurpators Harold zu verwenden. Daraufhin hatten die Bürger die Ritter auf der Straße angegriffen, und auf beiden Seiten war Blut geflossen. Schließlich hatte sich die Garnison auf der Burg verschanzt, wo sie jetzt von den Bürgern belagert wurde und auf Entsatz wartete. Ob das der einzige Grund für Hugues’ Abreise war, oder ob es in der Unterredung mit Fitz Osbern Streit gegeben hatte, wusste niemand so genau.
»Robert hat gesagt, dass Ihr mit dem Earl gewisse Meinungsverschiedenheiten hattet«, sagte Beatrice.
Ich musste lachen, obwohl mir eigentlich gar nicht danach zumute war. »Ja, so kann man
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