Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
Vom Netzwerk:
jetzt?«
    »Wir kehren nach Scrobbesburh zurück und bereiten uns dort auf den Angriff des Feinds vor«, entgegnete der Wolf.
    »Dann wollt Ihr also den Rückzug antreten?«, fragte ich.
    »Wir haben nicht mehr die Kraft, noch eine solche Schlacht zu schlagen«, erwiderte der Wolf. »Außerdem stärkt ein solcher Sieg natürlich das Selbstbewusstsein des Feindes. Wenn sich die Kunde von diesem Sieg hier im Land verbreitet, bekommen unsere Gegner noch mehr Zulauf. Keine Frage: Sie werden schon sehr bald wieder marschieren.«
    »Immerhin ist einer ihrer Könige auf dem Schlachtfeld gefallen«, sagte ich. »Wenn wir noch einmal zuschlagen wollen, ist jetzt der günstigste Zeitpunkt – bevor sie sich wieder sammeln und ihre Lücken schließen können.«
    »Schaut Euch hier doch einmal um, Tancred«, sagte Earl Hugues und warf mir einen verärgerten Blick zu. »Schaut Euch doch die Gesichter der Männer hier an. Was glaubt Ihr, wie viele von ihnen jetzt noch den Mut haben, sich dem Feind schon wieder zu stellen? Viele der Männer hier haben gerade Freunde und Brüder verloren; außerdem sind die meisten halb verhungert. Was glaubt Ihr, wie gut sie mit leerem Magen kämpfen?«
    Auf der Flucht vor dem Feind hatten wir am Ende die meisten unserer Lastponys mit dem Proviant zurücklassen müssen. In einigen Fällen hatten wir noch die Gurte durchgeschnitten und den Proviant abgeworfen, um wenigstens die Tiere selbst mitzunehmen. Zu meiner Erleichterung gehörten dazu auch meine eigenen Tiere, die Cnebba und Snocca noch in Sicherheit gebracht hatten. Glücklicherweise waren meine zuverlässigen Zwillinge in der Schlacht mit ein paar blauen Flecken und Kratzern und zerrissenen Waffenröcken davongekommen.
    »Dann müssen wir eben plündern, wie schon in den vergangenen Tagen«, sagte ich verzweifelt. »Wir schicken Stoßtrupps los, die in der Umgebung Lebensmittel beschaffen. Wenn die Männer wieder ausgeruht sind und sich satt gegessen haben, schlagen wir los. Und dann haben wir ja noch die Speerkämpfer, die überhaupt noch nicht zum Einsatz gekommen sind.«
    Ich blickte um mich, hoffte, dass ich die anderen Lords mit meinem Enthusiasmus angesteckt hatte, hoffte auf die zustimmenden Blicke derjenigen, die mich noch vor Kurzem in dem Burgsaal unterstützt hatten. Aber vergeblich. Die Männer hatten die Arme vor der Brust verschränkt und sahen mich bloß schweigend an. Einige gingen einfach weg – ob aus Abscheu oder weil mein Auftritt ihnen peinlich war, vermochte ich nicht zu sagen. Ich wusste zwar, dass ich ohnehin niemanden überzeugen konnte, trotzdem redete ich weiter.
    »Ja«, sagte ich und hob die Stimme, »wir könnten noch einmal losschlagen und den Feind in seinem Lager überraschen …«
    Doch dann brach ich mitten im Satz ab, weil mir auch Robert durch ein warnendes Kopfschütteln seine Ablehnung bekundete. Ich stand auf verlorenem Posten. Zum ersten Mal seit der Schlacht fühlte ich mich absolut mutlos und leer – aller Kraft beraubt.
    »Geht zu Euren Männern«, rief der Wolf, als sich die Lords jetzt wieder zerstreuten. »Esst, was Ihr noch zu essen findet, und ruht Euch noch ein wenig aus. In einer Stunde marschieren wir.«
    Auf dem Rückweg zu meinen Leuten entdeckte mich der Kaplan der walisischen Prinzen, ein Mann namens Ionafal, und rief mich zu der Stelle, wo er sich mit etlichen seiner Landsleute um seinen sterbenden König versammelt hatte. Er hatte Maredudd gerade die Beichte abgenommen und ihm die Letzte Ölung aus einem Behältnis gegeben, dass er unter seinen Gewändern bei sich trug. Sein Herr habe nicht mehr lange zu leben, berichtete er mir. Wenn ich noch einmal mit ihm sprechen wolle, sei dies die letzte Gelegenheit.
    In dem Durcheinander der Flucht und der nachfolgenden Ereignisse hatte ich Maredudd fast vergessen. Ich ging zu ihm und sah einen Mann vor mir, aus dessen Gesicht alles Blut gewichen war. Trotz des warmen Wetters zitterte er am ganzen Leib. Seine Männer hatten ihn bereits mit ihren Mänteln und ihren Pelzen zugedeckt. Obwohl er ungefähr mein Alter hatte, sah er deutlich älter aus.
    »Tancred«, sagte er, als er mich sah. Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern, und er konnte die Augen kaum noch offen halten, doch wenigstens erkannte er mich.
    So stand ich vor ihm, und mir fehlten buchstäblich die Worte. »Ihr habt gut gekämpft«, sagte ich dann. »Ihr und Euer Bruder.«
    »Leider nicht gut genug«, entgegnete er und lächelte gequält. Dann traten ihm Tränen in die Augen.

Weitere Kostenlose Bücher