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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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Fahnen zeigten an, dass er inzwischen offiziell das Kommando über die Burg von ihrem bisherigen Schutzherrn Roger de Montgommeri übernommen hatte.
    Ich ließ Nihtfeax in der Obhut eines Stallknechts zurück und ging um den Übungsplatz herum zur gegenüberliegenden Seite des Burghofs, wo sich die Halle befand. Ein paar Bedienstete waren gerade dabei, Fässer aus einem der Lagerhäuser in Richtung Küche zu rollen; andere mussten – von Fliegen umschwärmt – mit Besen und Schaufeln die Pferdeäpfel vom Boden auflesen und auf einen Karren laden. In der Werkstatt des Hufschmieds wurde fleißig gehämmert; im Hof prallten Holzknüppel auf Lindenholzschilde; und draußen vor den Mauern brüllten und schnaubten die Ochsen, die durch die Straßen getrieben wurden.
    »Lord Guillaume hält sich oben in seinen Privatgemächern auf«, sagte der Türhüter, als ich vor der Halle stand und ihm meinen Namen nannte. »Er ist es nicht gewohnt, dass man ihn warten lässt. Eigentlich hat er Euch schon vor einer halben Stunde erwartet, und ich soll Euch mitteilen, dass er schlecht gelaunt ist.«
    Der Mann führte mich zum Fuß der Treppe, wo ich mich bei ihm für die Warnung bedankte, dann überließ er mich meinem Schicksal. Im oberen Geschoss führte ein langer Gang geradewegs zu der bloß angelehnten Eingangstür zu den Privatgemächern. Ich klopfte an und trat ein.
    Trotz der geöffneten Fensterläden war die Luft in dem Raum stickig. Dicke Teppiche bedeckten die Bodendielen, an den Wänden hingen farbenprächtige Stickereien, die Hochzeitsszenen zeigten. Auf der Darstellung war ein langer Raum mit einem großen Tisch zu sehen, der mit Geschirr aller Art überladen war; dahinter saß der adelige Hausherr, der wie zum Gruß beide Arme ausgestreckt hatte; neben ihm in einem blauen Kleid seine Braut. Diener trugen Suppenschüsseln herein, Platten mit gebratenem Flugwild und vergoldete Weinkelche, während ein Narr vor den beiden seine Tanzkünste darbot und ein Minnesänger auf einer Harfe spielte.
    Fitz Osbern stand im hinteren Teil des Raums vor einem Fenster und blickte hinaus; er hatte die Hände auf dem Rücken zusammengelegt. Neben ihm stand ein runder Tisch, darauf ein irdener Krug und ein mit goldenem Gitterwerk kunstvoll verzierter grüner Glaskelch, der – wie mir schien – halb mit Wein gefüllt war. Der Oberbefehlshaber ließ sich nicht anmerken, ob er mein Eintreffen bemerkt hatte.
    »Mylord«, sagte ich. »Ihr habt nach mir geschickt?«
    »Ihr kommt spät«, entgegnete er, schroff wie üblich.
    »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte«, entgegnete ich ebenso knapp.
    Er blickte weiterhin aus dem Fenster. »Wenn ich nach Euch schicke, habt Ihr gefälligst sofort zu erscheinen. Verstanden?«
    Ich gab ihm keine Antwort, wusste ich doch, dass sonst die ganze Wut der vergangenen Tage aus mir herausbrechen würde. Fitz Osbern wiederholte seine Frage nicht etwa, sondern wartete darauf, dass ich ihm antwortete. Als er begriff, dass ich dies nicht beabsichtigte, drehte er sich um und sah mich an.
    »Ich frage mich, ob es Malets Sohn Euch gegenüber an Strenge hat fehlen lassen. Denn ein tüchtiger Lehnsherr lehrt seine Vasallen, was Gehorsam ist. Ein Mann von Autorität würde dafür sorgen, dass seine Vasallen ihren Platz kennen. Aber die Malets haben sich ja immer schon schwergetan, den Respekt ihrer Gefolgsleute zu gewinnen. Und nicht nur deren Respekt.«
    Die letzten Worte konnte ich kaum verstehen, so leise sprach er. Was wollte er damit sagen?
    »Mylord …«, fing ich an.
    »Ich kann Euch nur warnen, Tancred a Dinant«, fiel er mir ins Wort. »Ihr solltet mich nicht zu Eurem Feind machen. Ich habe König Guillaumes Ohr. Wenn ich es wollte, könnte ich Euer Lehen auf der Stelle einziehen oder Euch des Reiches verweisen, oder sogar noch Schlimmeres. Also überlegt Euch sehr gut, was Ihr jetzt sagt, und wählt Eure Worte mit Bedacht.«
    Er musterte mich mit einem verächtlichen Blick, als ob ich eine Laus wäre: ein ärgerliches Insekt, dessen er sich mit einem einzigen Schlag entledigen konnte. Er sprach trotz der Tageszeit schon mit schwerer Zunge, und sein Atem roch nach Wein: zwar nur ein wenig, aber immerhin. Wie viel mochte er schon getrunken haben?
    »Also wollt Ihr nicht antworten?«, sagte er und gab sich überrascht. »Nun gut.« Er ging im Zimmer auf und ab. »Ich bin ja ein langmütiger Mann, Tancred, trotzdem lasse ich mir nicht alles bieten. Heute habt Ihr noch einmal Glück gehabt, aber glaubt

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