Die Ritter des Nordens
ein Lächeln. »Letztes Jahr zu Weihnachten hat der Schweinehirte Garwulf mir einen fetten Keiler geschenkt. Wir haben das Tier im Hof geschlachtet und dann in meiner Halle über dem Herdfeuer am Spieß gebraten. Das ganze Dorf war dort, und wir haben drei volle Tage von dem Fleisch gegessen, bis nur noch die Knochen übrig waren. Wir haben getrunken und getanzt. Der Saal war mit Stechpalmenzweigen geschmückt, und das Feuer hat die ganze Nacht gebrannt.«
»Dann seid Ihr dort also glücklich.«
Ich wusste nicht recht, ob der Satz als Feststellung oder als Frage gemeint war, und zuckte mit den Achseln. »Ja, ich bin dort zu Hause. Wenn Ihr mich letztes Jahr gefragt hättet, als wir uns kennengelernt haben, ob ich je an einem solchen Ort leben könnte, hätte ich wahrscheinlich darüber gelacht. Ich weiß, Earnford ist kein besonders prachtvoller Besitz, trotzdem: Ich bin dort sehr glücklich. Ich habe dort Leofrun und, wenn alles gutgeht, außerdem bald ein Kind.«
Der Zeitpunkt der Niederkunft war jetzt nur noch einen Monat entfernt. Ich hoffte, wieder zu Hause zu sein, wenn Leofruns Zeit gekommen war, doch das wurde mit jedem Tag, der verging, immer unwahrscheinlicher.
»Leofrun?«, fragte Beatrice, und auf ihrer Stirn erschien eine Falte.
Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ihr davon ja noch gar nichts erzählt hatte. Ein günstigerer Zeitpunkt, dies endlich nachzuholen, würde sich gewiss nicht mehr bieten.
»Ja, Leofrun – meine Frau. Wir sind jetzt schon fast ein Jahr zusammen.«
Beatrice blickte vor sich auf den Boden; ihre Wangen waren errötet. Sie sah plötzlich nicht mehr wie einundzwanzig, sondern viel jünger aus. »Ach so, das wusste ich nicht«, murmelte sie.
»Ich hätte es Euch schon früher sagen sollen. Es tut mir leid …«
Sie winkte bloß ab. Ich wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte, und ihr fiel anscheinend auch nichts mehr ein, denn sie stand wortlos auf und ließ mich einfach dort sitzen.
Achtzehn
•
A ls Fitz Osbern mich schließlich gegen Mittag rufen ließ, badete ich gerade im Fluss, wo ich den Schmutz, den Schweiß und das Blut der vergangenen Tage aus meinen Kleidern und von meiner Haut abwusch und zugleich damit auch die Erinnerung an die Schlacht und den dunklen Schatten, den Turolds Tod über meine Seele gelegt hatte.
Ich sah den Boten schon von Weitem, da der Mann ein paar Jungen, die am Ufer mit Stöcken fechten übten, nach dem Weg fragte. Er war etwas jünger als ich und machte auf mich sofort einen ebenso humorlosen wie pedantischen Eindruck.
»Tancred von Earnford?«, fragte er, als er sein Pferd zum Stehen gebracht hatte, und musterte mich aus dem Sattel.
Ich beschattete mit einer Hand meine Augen und sah ihn an. »Ja, so heiße ich«, antwortete ich. »Was gibt es?«
»Lord Guillaume möchte Euch sprechen.«
Wurde auch höchste Zeit, dachte ich, sagte aber nichts. Vielmehr nickte ich bloß, kehrte ihm wieder den Rücken zu und schöpfte mir mit den hohlen Händen kühles Wasser ins Gesicht.
»Und zwar sofort«, sagte der Bote, der zu glauben schien, dass ich ihn nicht richtig verstanden hatte. »Er erwartet Euch in seiner Halle oben auf der Burg.«
Offenbar hörte sich der Mann gerne selbst reden und war Gehorsam gewohnt. Er schien es gar nicht zu mögen, wenn man ihn nicht beachtete.
»Ja, ich habe Euch verstanden«, erwiderte ich, während ich mir mit einem nassen Lappen die Achselhöhlen wusch. »Meldet Eurem Herrn, dass ich ihm so bald wie möglich meinen Besuch abstatten werde.«
Der Bote sah mich missbilligend an. Falls er jedoch geglaubt haben sollte, dass er mich durch sein empörtes Gesicht zur Eile antreiben konnte, hatte er sich gründlich getäuscht. Dann wendete er abrupt sein Pferd und ritt davon, wohl um sich bei seinem Herrn über meine Dreistigkeit zu beschweren.
Wenn Fitz Osbern mit mir sprechen wollte, würde er sich ein wenig gedulden müssen, schließlich hatte er mich ebenfalls sehr lange warten lassen. Außerdem konnte ich dem zweitmächtigsten Mann des Königreiches ja nicht nass wie eine Wasserratte unter die Augen treten. Glücklicherweise war es an diesem Morgen warm und sonnig. Deshalb waren meine Haare schon bald trocken. Ich ging zurück ins Lager, legte dort die nassen Kleider oben auf mein Zelt, zog meinen Ersatzrock und die Extra-Hose an, die ich mitgenommen hatte, und schnallte mir wie stets das Schwert um.
Kurz darauf ritt ich durch das Burgtor, das mit Fitz Osberns rot-weißen Farben beflaggt war. Die
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