Die Ritter des Nordens
Engländer wirkte keineswegs eingeschüchtert. »Wenn Ihr mir jetzt aus dem Weg geht, würde ich den Mann dort gerne festnehmen und auf die Burg bringen.«
Ich bewegte mich nicht von der Stelle. »Und wer hat den Befehl erteilt?«
»Den Auftrag hat mir Fitz Osbern höchstpersönlich erteilt.«
»Davon hat er mir gegenüber aber nichts erwähnt«, sagte ich. »Ich war nämlich noch vor weniger als einer halben Stunde bei ihm.«
»Und deshalb nehmt Ihr also an, dass ich lüge?«, spottete Berengar. »Ihr glaubt wohl, er hält Euch für so bedeutend, dass er Euch über jede seiner Entscheidungen in Kenntnis setzt. Nach allem, was geschehen ist, könnt Ihr von Glück reden, dass er nicht sofort angeordnet hat, Euch in Ketten zu legen und in das tiefste feuchte Kellerloch zu werfen, das er finden kann. Immerhin dürfte er allmählich begriffen haben, wie gründlich er sich in Euch getäuscht hat. Hat allerdings auch lange genug gedauert. Wir haben schon immer gewusst, dass Ihr nichts taugt.«
Er tauschte Blicke mit seinen vier Kameraden, die sich allem Anschein nach köstlich amüsierten. Da ich seine kindischen Ausbrüche inzwischen kannte, ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Berengar stieg vom Pferd, kam auf mich zu und richtete sich zu voller Größe auf.
»Falls Ihr nicht wollt, dass es Euch genauso ergeht wie Eurem englischen Freund dort, macht Ihr mir jetzt gefälligst Platz«, sagte er.
Wir standen uns Auge in Auge gegenüber. Er war etwas größer als ich und hatte wohl auch die etwas größere Reichweite, was ihm einen gewissen Vorteil verschaffte, sollte es zu einem Kampf kommen. Andererseits hatte er aber auch einen größeren Leibesumfang, was ihn in seiner Beweglichkeit einschränkte.
»Wenn Ihr wollt, dass ich meinen Platz räume, müsst Ihr Euch schon selbst bemühen«, sagte ich.
Er sah mich erstaunt an, weil er offenbar geglaubt hatte, dass ich sofort vor ihm kuschen würde. Doch ich dachte gar nicht daran, mir von ihm Befehle erteilen zu lassen. Da er nicht recht zu wissen schien, was er machen sollte, fixierte er mich einen Augenblick, bevor sich sein Gesicht erst zu einem Lächeln verzog und er sich dann laut lachend zu seinen Freunden umdrehte.
»Er scheint wirklich zu glauben, dass er uns aufhalten kann«, sagte er so laut, dass alle ihn hören konnten, und wies mit den geöffneten Händen auf mich, als wolle er von den Umstehenden meinen Eigensinn bestätigt wissen. »Er glaubt, er kann sich über Fitz Osberns Anweisungen einfach hinwegsetzen.«
Einige Marktbesucher drehten sich neugierig nach uns um, doch die meisten gingen ihres Weges. Die Leute verstanden zwar nicht genug Französisch, um unserer kleinen Unterhaltung zu folgen, spürten aber, dass sich hier gerade etwas abspielte, womit sie lieber nichts zu tun haben wollten. Eine Frau scheuchte ihre Kinder die Straße hinunter und blickte immer wieder ängstlich über die Schulter zurück. Ein Bauer und sein Sohn, die gerade eine Herde Schweine zu den Gattern auf der anderen Seite des Marktplatzes treiben wollten, beschlossen, sich ihren Weg lieber nicht direkt über den Platz zu suchen, sondern durch eine der Seitengassen.
»Das hier hat nichts mit Fitz Osbern zu tun«, sagte ich zu Berengar. »Hier geht es doch bloß um die lächerliche Privatfehde, in die Ihr mich unbedingt verwickeln wollt.«
Er spie vor mir aus und verfehlte dabei nur knapp meinen Fuß. »Ich wüsste nicht, was für eine Fehde ich mit Euch haben sollte«, verkündete er nicht sehr überzeugend. »Für mich seid Ihr nämlich gerade mal so wichtig wie ein Haufen Schafscheiße. Ihr habt die Wahl: Entweder Ihr kriecht in den Arsch des Mutterschafs zurück, das Euch auf die Welt geschissen hat, oder aber ich sorge dafür, dass Eure Gedärme gleich hier mitten auf der Straße liegen.«
»Mich zu töten, schafft Ihr doch ohnehin nicht«, sagte ich. »Sobald Ihr nämlich das Schwert zieht, seid Ihr ein toter Mann – schneller, als Ihr schreien könnt.«
Er stand jetzt so nahe vor mir, dass ich seinen fauligen Atem riechen und die Pockennarben in seinem Gesicht deutlich sehen konnte. »Ich habe keine Angst vor Euch, Tancred. Andere mögen vor Eurem Ruf in die Knie gehen, aber ich sehe Euch so, wie Ihr seid. Nämlich auch nicht besser als wir Übrigen, und unsterblich seid Ihr auch nicht, falls es einmal hart auf hart kommt. Und wenn Ihr mir jetzt endlich Platz macht, lass ich das Schwert in der Scheide stecken. Andernfalls kann ich für nichts mehr
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