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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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vermutlich erspart geblieben. Tatsächlich hing von solchen aus Verzweiflung oder Dummheit getroffenen Fehlentscheidungen oft genug das Schicksal ganzer Königreiche ab, auch wenn sich dies zunächst häufig ganz anders darstellen mochte.
    Doch verlor ich über dies alles kein einziges Wort, sondern wartete ab, was Fitz Osbern sonst noch zu sagen hatte. Als er schließlich wieder sprach, klang seine Stimme plötzlich viel leiser, und ich hatte den Eindruck, dass der Sturm überstanden sei.
    »Alles um uns her bricht zusammen«, sagte er. »Alles, was wir in den letzten vier Jahren aufgebaut haben, scheint sich wieder aufzulösen: Das Reich erinnert mich an ein Haus, dessen Pfeiler wegbrechen, dessen Dach der Wind davonträgt. Doch je verzweifelter wir es zu reparieren versuchen, umso wütender pfeift uns der Sturm um die Ohren, umso unerbittlicher prasselt der Regen auf uns nieder und umso hilfloser sind wir den Naturgewalten ausgeliefert.«
    Wieder wusste ich nicht so recht, was ich erwidern sollte, oder ob er überhaupt eine Reaktion von mir erwartete. Er hatte mir den Rücken zugekehrt, schien meine Anwesenheit ganz vergessen zu haben.
    Ich hörte die Ritter, die unten im Hof übten, das Sägen und Hämmern der Bauleute, die alles taten, um den Schutz der Burg zu verbessern. Schon auf dem Hinweg hatte ich gesehen, dass sie im Burggraben spitze Pfähle in den Boden rammten, die den Feind daran hindern sollten, die Mauern zu erstürmen. Dabei blieb nichts dem Zufall überlassen. Fitz Osbern wusste natürlich noch sehr genau, was ein Jahr zuvor in Eoferwic geschehen war, wo Malet sich der Illusion hingegeben hatte, die normannische Besatzung der Stadt sei durch die Mauern ausreichend vor den Belagerern geschützt. Und dann hatten die Northumbrier die Tore mit Hilfe der Stadtbewohner erstürmt und fast die gesamte normannische Garnison aufgerieben. So ein Fehler durfte uns kein zweites Mal passieren. Deshalb ließ Fitz Osbern die Befestigungsanlagen der Stadt verstärken.
    Falls er richtiglag, würden aber auch diese Maßnahmen nicht ausreichen, um Eadric und seine walisischen Verbündeten und all die anderen Feinde aufzuhalten, die das Königreich bedrohten. Normalerweise ist es die Aufgabe eines militärischen Führers, seine Untergebenen in Stunden der Not zu ermutigen, doch davon konnte bei Fitz Osbern keine Rede sein. Vielmehr hatte ich das Gefühl, als ob er nicht nur die Walisischen Marken, sondern schon ganz England aufgegeben hatte. Anders als die meisten anderen Lords, denen ich im Laufe der Jahre begegnet war, hatte ich Fitz Osbern stets für eine beeindruckende Persönlichkeit gehalten, einen Mann, der es mit den bedeutendsten Fürsten der Christenheit aufnehmen konnte. Dieser unerschütterliche, kompromisslose Anführer war überall hoch angesehen, angefangen vom geringsten Ritter bis hinauf zum König selbst, der seinen Rat angeblich höher schätzte als den jedes anderen. Doch an diesem Tag hatte ich den Mann von einer ganz anderen Seite kennengelernt; deshalb war meine Bewunderung inzwischen verflogen, und ich sah ihn plötzlich mit neuen Augen. Die Situation war mir peinlich, und ich hatte das Gefühl, dass ich Zeuge von etwas geworden war, was nicht für meine Augen bestimmt war.
    Ich räusperte mich. »Mylord, wenn Ihr mich hier nicht mehr braucht, sollte ich jetzt vielleicht wieder zu meinen Männern gehen und nachsehen, ob es dort für mich noch etwas zu tun gibt.«
    Er würdigte mich nicht einmal einer Antwort, sondern gab mir abwesend durch ein Handzeichen zu verstehen, dass ich entlassen war. Und so überließ ich den Mann, der immer noch bedrückt auf den Hof hinaussah, ohne ein weiteres Wort sich selbst und machte die Tür leise hinter mir zu.
    Dabei schoss mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Und wenn er nun recht hat?

Neunzehn
    •
    A uf dem Marktplatz von Scrobbesburh war es ruhiger als sonst. Die Kaufleute, die dort normalerweise anzutreffen waren, boten ihre Waren jetzt offenbar in anderen Hafenstädten an, wo sie keine Angst zu haben brauchten, dass ihnen ein walisischer Dolch den Bauch aufschlitzte. Auf dem Rückweg kam ich an den Ständen der Holzhändler und den Stapeln von Hühner- und Schlachtvogelkäfigen vorbei und war aufrichtig erfreut, als ich zwischen den anderen Händlern ein bekanntes Gesicht erblickte.
    »Byrhtwald!«
    Ich hätte den Mann mit dem müden grauen Muli und dem mit grünen und roten Wimpeln geschmückten Karren überall wiedererkannt. Als er seinen

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