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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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verstehen. Auch von seinem Aussehen konnte ich mir bei dem schlechten Licht keinen deutlichen Eindruck verschaffen, doch er schien ziemlich korpulent zu sein.
    »Seid Ihr das, Berengar?«
    Der Mann blickte wieder in meine Richtung. Falls er es wirklich war und falls er mir etwas mitzuteilen hatte, dann sollte er mir das gefälligst direkt ins Gesicht sagen und nicht – wie ein Feigling – aus hundert Schritt Entfernung. Ich gab Nihtfeax die Sporen und ritt im Galopp zum Stadttor zurück. Doch kaum war ich dort angekommen, gab er Fersengeld und verschwand hinter dem Fackelschein des Tors in den Schatten der Häuser.
    »Kommt sofort zurück, Berengar!«, brüllte ich. »Ihr elender Feigling!«
    Ob er mich verstanden hatte, wusste ich natürlich nicht, trotzdem hoffte ich es inständig. Ich dachte nämlich nicht einmal im Traum daran, die Fehde, die er angezettelt hatte, einfach auf sich beruhen zu lassen. Am liebsten hätte ich die Sache zwar an Ort und Stelle geregelt. Stattdessen konnte er jetzt in aller Ruhe zusehen, wie ich davonritt, und diesen Umstand zu seinen Gunsten ausschlachten. Natürlich würde er mich vor seinen Kameraden als Feigling oder Schlimmeres denunzieren. Wahrscheinlich würde er sogar behaupten, dass ich mitten in der Nacht aus Angst vor ihm heimlich aus der Stadt geflohen war und damit zugleich meine Niederlage eingeräumt hatte. Ja, er konnte fortan ungestraft jede Lüge über mich verbreiten, und ich hatte keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern. Ich biss die Zähne zusammen. Nein, ein Feigling war ich nicht, das konnten alle bestätigen, die mich kannten. Irgendwann würde ich zurückkommen und meinen Mut unter Beweis stellen und zugleich dafür sorgen, dass alle erfuhren, was für ein Schuft dieser Berengar war. Doch das musste noch warten.
    Ich wendete Nihtfeax und galoppierte hinter den anderen her, die weitergezogen waren. Robert versuchte erst gar nicht, seine Verärgerung zu verbergen, als ich die Kolonne wieder erreichte.
    »Falls es sich noch nicht herumgesprochen hat, dass wir abgezogen sind, wird sich die Nachricht spätestens jetzt wie ein Lauffeuer verbreiten«, sagte er. »Wer immer dieser Mensch auch war …«
    »Dieser Mensch war Berengar«, sagte ich.
    »Hört endlich auf«, herrschte Robert mich an. »Ich will davon nichts mehr hören. Wer immer der Kerl war: Jetzt weiß er wenigstens absolut sicher, dass Ihr hier bei uns seid – und bei uns heißt: bei mir . Das kann sich doch jeder Idiot zusammenreimen. Und dann geht er damit auf die Burg. Wahrscheinlich dauert es keine Stunde, bis Fitz Osbern seine Leute hinter uns herschickt.«
    Wir trieben die Pferde bis zum Morgengrauen an und versuchten, die Stadt noch im Schutz der Dunkelheit möglichst weit hinter uns zu lassen. Doch schon bald ging im Osten die Sonne auf, und schnell wurde es helllichter Tag. Ich blickte immer wieder über die Schulter zurück, weil ich wissen wollte, ob uns jemand folgte: ob vielleicht in der Ferne ein paar blitzende Helme oder Speerspitzen zu sehen waren. Doch wie es schien, folgte uns niemand. Als die Sonne nun immer höher stieg, machten wir halt, saßen von unseren Schlachtrössern ab und überließen sie den Stallknechten und Bediensteten, die uns begleiteten. Dann stiegen wir auf die Marschpferde, die zwar nicht so schnell, dafür aber ausdauernder waren und sich deshalb für lange Strecken besser eigneten.
    Wir mieden die stärker frequentierten Wege, die über Deorbi und Snotingeham führten – also am Südrand der großen Hügel entlang –, und zogen stattdessen nach Norden. Das war Robert zufolge die kürzeste Strecke, nach seinen Berechnungen gut hundert Meilen weit. Ich musste das wohl oder übel akzeptieren, obwohl ich genau wusste, dass die Route durch sehr unwirtliche Gegenden führte: über feuchte, sturmgepeitschte Höhen, durch unwegsame Täler und über hohe, abgelegene Pässe: eine Strecke, die selbst den zähesten Mann, das zäheste Pferd vor außerordentliche Herausforderungen stellte. Deshalb war ich alles andere als erfreut über diese Aussicht, und genauso erging es auch den meisten von Roberts Männern. Die Schlacht, die wir in Mechain geschlagen hatten, steckte uns immer noch in den Knochen, daran hatten auch die wenigen Tage in Scrobbesburh nichts geändert. Nach unserem ausgedehnten Marsch quer durch Wales und dem erzwungenen Rückzug konnten viele unserer Leute immer noch nicht wieder richtig im Sattel sitzen.
    Die Sonne stieg nun rasch höher, und es wurde

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