Die Ritter des Nordens
Feinde herfallen konnten, wenn sie wieder aus der Kirche kamen.
Danach ging alles unglaublich schnell. Wenige Augenblicke später trat der erste Waliser aus der Tür. Er grinste über das ganze Gesicht, während er einen silbernen Kerzenleuchter in einem Sack verschwinden ließ. Als er den Kopf wieder hob, blickte er direkt auf mein Schwert, mit dem ich ihm den Schädel spaltete. Als seine Kameraden das sahen, stürmten sie mit gezückten Schwertern aus der Kirche. Doch wir waren viermal so viele wie sie, daher hatten sie nicht die geringste Chance. Obwohl sie in voller Kriegsmontur unterwegs waren, hatten sie anscheinend nicht damit gerechnet, dass sie in dem Weiler auf Widerstand stoßen könnten. Doch wir waren im Blutrausch und hieben und schlugen so voller Zorn auf sie ein, dass die Luft von ihren Schreien und dem Geruch des Todes erfüllt war. Die Leichen warfen wir in den Fluss und beobachteten, wie sie in dem blutrot verfärbten Wasser stromabwärts trieben – als Warnung an alle, die sie sahen.
Erst als die Dorfbewohner sicher waren, dass wir ihnen nichts antun wollten, kamen sie allmählich wieder aus der Deckung. Zuerst gaben wir ihnen ihr Hab und Gut zurück, das die Waliser ihnen weggenommen hatten, dann halfen wir dem immer noch völlig aufgelösten, zitternden Priester dabei, wieder von dem Misthaufen herunterzusteigen.
»Wer seid Ihr?«, fragte der gebeugte, weißhaarige Mann, der uns trotz unserer Freundlichkeit offenbar immer noch nicht traute.
»Freunde«, sagte ich nur, aber das schien ihn nicht zu beruhigen. Dass er nervös war, konnte ich sehr gut verstehen. Schließlich war er gerade Zeuge geworden, wie direkt vor seiner Kirchentür und damit auf heiligem Boden vier schwer bewaffnete Krieger ein ebenso schnelles wie brutales Ende gefunden hatten. Deshalb schien es nur plausibel, dass wir uns nach diesem Gemetzel sofort auf ihn und seine Schäfchen stürzen und den gescheiterten Raubzug der Waliser zu Ende führen würden. Erst als Father Erchembald und die Frauen im Dorf eintrafen und der Dorfpfarrer sah, dass wir sogar einen Priester dabeihatten, ließ er sich davon überzeugen, dass wir nichts Böses im Schilde führten.
Die Dörfler konnten uns weder etwas über Bleddyn und Eadric noch über den Verbleib von König Guillaumes Armee sagen, die sich irgendwo ganz in der Nähe aufhalten musste. Deshalb bedauerte ich es im Nachhinein beinahe, dass wir die walisischen Schurken sofort getötet hatten, ohne ihnen vorher noch ein paar Fragen zu stellen. Immerhin hatten wir jetzt ein paar zusätzliche Waffen, um uns zu verteidigen: vier Rundschilde, ebenso viele Speere und Messer sowie mehrere mit Eisenbeschlägen verstärkte Lederwämser unterschiedlicher Größe. Dazu kam noch ein stabiler Helm mit einer Halsberge, den ich für mich selbst reklamierte. Auch die vier ebenso störrischen wie robusten Ponys, die so wirkten, als hätten sie keine Angst vor Schlachtgetümmel, nahmen wir mit. Und so ähnelte unser kleiner Trupp nun allmählich – wenigstens von Ferne – einer militärischen Formation.
Nachdem der Priester Vertrauen zu uns gefasst hatte, drängte er uns, uns auszuruhen und etwas zu essen, doch ich lehnte das Angebot ab. Da die Tage bereits kürzer wurden, mussten wir das Tageslicht unbedingt ausnutzen, um den König und sein Heer möglichst bald zu erreichen, erklärte ich ihm. Er zeigte dafür zwar Verständnis, bestand aber trotzdem darauf, sich erkenntlich zu zeigen. Als wir uns schließlich verabschiedeten, waren unsere Satteltaschen deshalb mit Käselaiben, gepökeltem Hammelfleisch und Räucherfisch vollgestopft, und die Leute überschütteten uns mit Dankesbekundungen.
Doch mir stand der Sinn nicht nach Essen. Ich wollte vielmehr Blut sehen, mich wieder in die Schlacht stürzen. Das kurze Gefecht mit den Walisern hatte mir davon nur einen kleinen Vorgeschmack gegeben, und nun wollte ich mehr davon.
Auf der Suche nach dem alten Fernweg, den die Engländer Wæclinga Stræt nannten, zogen wir in nördlicher Richtung weiter. Denn auf dieser Straße hatte Mildburg den königlichen Truppenverband gesehen. Von den Leuten, die wir unterwegs trafen, wusste kaum einer etwas vom Vormarsch des Königs nach Norden. Hier und da stießen wir auf jemanden, der behauptete, im Laufe der vergangenen Woche einen großen Heeresverband gesehen zu haben oder wenigstens jemanden zu kennen, der einen solchen gesehen hatte; allerdings konnte uns niemand sagen, ob es sich dabei um Waliser,
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