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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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hinter Robert in die Halle. Es gab in dem Raum keine mit Hornplatten ausgestatteten Fensterschlitze, durch die das Tageslicht hätte hereinfallen können, und auch das Herdfeuer war noch nicht entzündet. Deshalb dauerte es eine Weile, bis sich meine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. Auf der Längsseite des Raumes war ein langer Tisch mit Bänken zum Essen aufgestellt, der, wenn wir ausnahmsweise einmal Gäste hatten, nach draußen gebracht werden konnte. An den Wänden hingen schlichte rote und grüne Stoffbahnen, die den Raum vor Zugluft schützen sollten. Freilich waren sie – anders als sonst vielfach üblich – nicht mit traditionellen Jagd- oder Schlachtmotiven bestickt, die Krieger, Schiffe und fantasievolle Tiere zeigten, da solche Applikationen meine Mittel deutlich überstiegen hätten.
    Robert blickte in der Halle umher. »Wirklich schön habt Ihr es hier«, sagte er. Seinem Tonfall nach zu urteilen war das Kompliment wirklich ernst gemeint, obwohl sich meine Räume, verglichen mit dem, was er sonst gewohnt war, gewiss sehr bescheiden ausnahmen. Doch was sollte ich mit kostbaren Wandteppichen, mit Prunkkelchen, versilberten Tellern oder vergoldeten Kerzenleuchtern anfangen? Diese Dinge waren doch bloß Tand und verliehen einem Mann weder einen höheren Stand noch mehr Macht. Mir fiel wieder etwas ein, was Father Erchembald einmal zu mir gesagt hatte: Letzten Endes kam es nur darauf an, dass ich mich auf meine eigenen Gefolgsleute verlassen konnte, die jungen Männer, die mir Treue gelobt hatten und die mir in der Schlacht selbst in größter Gefahr beistehen mussten. Ihr Treueeid war mehr wert als alles Gold, alles Silber und alle Edelsteine zusammen.
    »Tancred«, sagte eine Stimme, und ich drehte mich um. Serlo war nicht mit uns ins Haus gekommen. Vielmehr stand er noch draußen im Hof und blickte mit besorgter Miene durch das Tor hinaus auf die Felder und die Hütten am Fuß des Abhangs.
    Gleichzeitig hörte ich draußen zuerst lautes Geschrei, dann ein Wimmern. Ich sah Robert an, der genauso verwirrt war wie ich selbst, dann stürzten wir ins Freie.
    Weiter vorne im Hof herrschte Aufruhr, doch ich konnte wegen der tief stehenden Sonne nicht genau erkennen, was dort vor sich ging. Dann entdeckte ich gleich neben den Schafhürden Pons und Turold. Sie hielten einen Mann zwischen sich, den sie stützten, und stolperten mühsam vorwärts. Als Pons um Hilfe rief, eilten ein paar Landarbeiter aus dem Dorf den drei Männern entgegen und halfen, den Verletzten auf einen Strohhaufen zu legen.
    Ich rannte über den Hof zu der Stelle, wo jetzt immer mehr Dorfbewohner zusammenliefen, und bahnte mir einen Weg durch die Menge, bis ich vor dem Mann stand und ihn endlich sehen konnte. Trotzdem erkannte ich ihn nicht gleich, weil sein Gesicht so verschmutzt war. Sein Rock war mit Blut getränkt, und in seiner Seite steckte eine Pfeilspitze. Sein Gesicht und sein Bart – alles war voll Blut. Dann fing er an, auch Blut zu spucken. Ich starrte in sein entstelltes Gesicht, bis ich die dunkle Narbe bemerkte, die sich genau dort befand, wo einmal sein linkes Auge gewesen war.
    Es war Ædda.

Vier
    •
    I ch ließ mich neben dem Engländer in die Hocke nieder. Er lebte zwar noch, hatte die Augen aber geschlossen und atmete so schwer, als ob ein schweres Gewicht auf seiner Brust lastete.
    »Jemand soll den Priester holen«, brüllte ich die Umstehenden an. »Bringt ihn sofort her!«
    Father Erchembald war der heilkundigste Mensch im ganzen Tal. Er verwahrte in seinem Haus zahlreiche Kräuter, Tinkturen und sonstige Heilmittel. Sicher würde er wissen, was zu tun war.
    Ædda stöhnte, was bei einem Mann von seiner Statur besonders herzzerreißend klang. Seine Augenlider flackerten, und sein ganzer Körper bäumte sich auf, als er erneut Blut spuckte. Seine Lippen, sein ganzer Mund waren rot von frischem Blut. Dann öffnete er kurz die Augen.
    »Mylord?«, fragte er unsicher, als ob er mich nicht richtig erkennen würde. Er sah unendlich schwach aus, so gar nicht mehr wie der Mann, der durch seine bloße Gegenwart einen ganzen Raum zum Schweigen bringen konnte.
    Ich sah Turold und Pons an. »Was ist passiert?«
    »Die Waliser«, entgegnete Pons. »Sie haben uns drüben im Tal plötzlich angegriffen. Wir wollten gerade nach Hause reiten, als sie uns aus dem Wald mit Pfeilen beschossen haben. Dabei hat es Ædda erwischt. Deshalb haben wir sofort das Weite gesucht.«
    Also schon wieder ein Überfall, dachte ich. »Wisst ihr

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