Die Ritter des Nordens
barg ihr Gesicht schluchzend an meiner Schulter.
Ich hielt sie eng umschlungen, im Wissen, dass dies für längere Zeit das letzte Mal war. »Du weißt, wenn ich könnte, würde ich viel lieber hierbleiben.«
»Ja, ich weiß«, sagte sie leise. »Und wann kommst du wieder nach Hause?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte ich. »Vielleicht in einigen Wochen, vielleicht aber auch erst in ein paar Monaten. Das hängt davon ab, wann die Waliser losschlagen.«
»Wenn du zurückkommst, wird dein neugeborener Sohn hier schon auf dich warten.«
»Darauf freue ich mich jetzt schon«, sagte ich und legte ihr lächelnd die Hand auf den Bauch. Ob Leofrun einen Jungen oder ein Mädchen zur Welt bringen würde, wusste nur Gott allein. Sie selbst wünschte sich ein Mädchen, ich mir dagegen einen Sohn, den ich eines Tages im Schwertkampf, im Reiten und Jagen unterweisen wollte.
»Ich würde so gerne mit dir kommen«, sagte Leofrun.
»Nein, das ist nichts für dich«, sagte ich und lachte leise. »Wenn du je so ein Feldlager gesehen hättest, wüsstest du, dass es dort für eine Frau viel zu gefährlich ist. Dort herrschen raue Sitten, und viele der Kriegsleute dort sind jederzeit dazu bereit zu töten, nur um ihre Gier zu befriedigen. Wenn du mich begleiten würdest, könnte ich kein Auge mehr zutun, weil dir ständig alle Männer nachstellen würden. Das wäre auch für dich selbst kein Vergnügen.«
Sie errötete und lächelte unter Tränen. »Davor hätte ich keine Angst«, sagte sie. »Das alles würde ich sogar gerne ertragen, wenn ich nur bei dir sein könnte.«
Aber selbst wenn ihr Zustand sie nicht daran gehindert hätte, mit uns zu reiten, hätte ich dies abgelehnt. Ich erinnerte mich nämlich nur zu gut daran, was geschehen war, als ich beim letzten Mal eine Frau mit ins Feld genommen hatte, und ich wollte so etwas nie mehr erleben. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, Leofrun ebenso zu verlieren wie damals Oswynn.
»Aber ich hätte ständig Angst um dich«, sagte ich. »Vertrau mir. Hier ist es sicherer für dich.«
Natürlich wusste sie, dass ich recht hatte, selbst wenn sie das nicht zugeben wollte. Sie senkte den Kopf. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und ich drückte sie wieder an mich und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei spürte ich ihre Wärme, atmete ihren Duft ein, ließ den Augenblick in seiner ganzen Intensität auf mich wirken, damit er mich in den kommenden Wochen stets begleitete.
Am liebsten hätte ich sie für immer so in den Armen gehalten, doch die anderen warteten bereits auf mich; deshalb musste ich mich schließlich von ihr lösen. Uns blieb gerade noch Zeit für einen letzten Kuss, bevor Snocca mir Nihtfeax brachte und ich aufsaß.
»Ich werde jeden Morgen und jeden Abend für dich beten«, sagte Leofrun.
»Ich bete auch für dich.«
Dann kam Robert geritten. Er hielt in jeder Hand eine Lanze mit einem Banner. Eines der Banner zeigte seine Farben: schwarz-gold, während das zweite – das er mir überreichte – mit dem vertrauten schwarzen Falken auf weißem Grund bestickt war.
»Habt Ihr alles, was Ihr braucht?«, fragte er und sah zuerst mich, dann Leofrun an. Er hatte es eilig, endlich aufzubrechen, und natürlich hatte er recht. Scrobbesburh lag nämlich einen ganzen Tagesritt von Earnford entfernt, sofern man zügig vorankam. Deshalb mussten wir uns trotz des langen Sommertags sehr beeilen.
Ich neigte mich aus dem Sattel nach unten und ergriff Leofruns Hand. »Ich komme wieder. Das verspreche ich dir.«
»Ja, ich weiß, dass du wiederkommst«, sagte sie.
Sie begleitete uns noch bis zum Tor. Draußen vor dem Palisadenzaun hatten sich entlang der Böschung etliche Dorfbewohner eingefunden, die auf uns warteten. Als wir näher kamen, neigten einige von ihnen den Kopf. Andere standen bloß stumm da und sahen mich mit traurigen Augen an. Wieder andere konnten die Tränen nicht zurückhalten. Kinder klammerten sich an die Hosenbeine ihrer Väter oder an die Röcke ihrer Mütter, weil der mächtige Truppenverband sie offenbar verwirrte und einschüchterte. Wir ritten an ihnen vorbei, durchquerten die Furt und folgten dem Fluss dann in östlicher Richtung. Wir hatten den Wind nun im Rücken, weiter vorne über den Hügeln ging gerade die Sonne auf und betörte den jungen Tag mit ihrer Wärme. Doch nicht einmal dieser herrliche Anblick vermochte mich aufzuheitern, so kalt und benommen war mir zumute. Auf dem Hügel jenseits des Flusses thronte, umgeben
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