Die Ritter des Nordens
vom Palisadenzaun, stolz die Halle, von der ich jetzt jedoch nur noch den Giebel und das Reetdach erkennen konnte.
Schon bald lagen nicht nur das Haus und das Dorf hinter uns, sondern auch die Wälder, in denen der Schweinehirte seine Tiere gerne nach Futter suchen ließ, die Weiden, auf denen das Vieh graste, und sogar die Mühle mit dem langsam kreisenden Rad, die die Grenze meines Besitzes markierte. So blieb Earnford hinter uns in der Ferne zurück.
Plötzlich war mir speiübel, doch ich ritt unbeirrt weiter und blickte kein einziges Mal mehr zurück.
Wir ritten auf der ungepflasterten Landstraße nach Norden in Richtung Stratune, einem kleinen Städtchen, das auf dem Weg nach Scrobbesburh lag. Im Osten stieg über den Bäumen auf den Hügelkuppen die Sonne auf, vertrieb den Dunst aus den Tälern und kündigte einen heißen Tag an. Es regte sich kaum ein Lüftchen, und am Himmel war weit und breit keine Wolke zu sehen, die uns ein wenig Schutz vor der Sonne hätte bieten können. Und so dauerte es nicht lange, bis mir der Schweiß von der Stirn rann und ich Helm und Haube abnehmen musste. Die meisten Normannen trugen das Haar im französischen Stil, oben kurz und im Nacken rasiert, ich dagegen hatte meines im letzten Jahr aus Bequemlichkeit wachsen lassen, sodass es mir in langen Strähnen schon fast bis in den Nacken fiel. Allerdings ließ ich es nicht so lang wachsen, wie es die meisten Engländer trugen, denn für einen solchen wollte ich keinesfalls gehalten werden. Doch jetzt klebte mir die ganze Pracht buchstäblich am Kopf, und wenn ich mir die Hand in den Nacken legte, wurde sie klatschnass.
Ich ritt mit Robert an der Spitze des Zuges, der sich hinter uns in Zweier-, Dreier- und Vierergruppen aufgeteilt hatte. Unten im Tal hatten wir aus Angst vor einem Hinterhalt noch eine strenge Formation gewahrt, doch nach einer guten Stunde kamen wir in offenes Gelände: auf einer Seite riesige Weizenfelder, auf der anderen ausgedehnte Weideflächen. Wer uns hier angreifen wollte, war schon von Weitem zu sehen.
Hinter mir stimmte Serlo gerade jenes heisere Gelächter an, das ich so gut an ihm kannte. Er und meine übrigen Leute schienen sich mit Roberts Gefolge gut zu verstehen, was sehr erfreulich war, da diese Männer vielleicht schon bald gemeinsam gegen den Feind reiten mussten.
»Fitz Osbern wird froh sein, Euch endlich wieder unter seinem Kommando zu haben«, sagte Robert.
Es dauerte einige Augenblicke, bis ich begriff, dass er mit mir sprach. Seit wir in Earnford losgeritten waren, hatte er noch kein Wort gesprochen, obwohl das Gutshaus mittlerweile schon mehrere Meilen hinter uns lag. »Fitz Osbern, Mylord?«
»Ja, genau der.« Er gab mir einen Klaps auf die Schulter und sah mich grinsend an. »Schließlich habt Ihr doch damals in Eoferwic das Tor geöffnet. Ohne Euch hätte König Guillaumes Armee die Stadt doch gar nicht erobern können.«
So ähnlich hatte auch schon Byrhtwald gesprochen. Allerdings konnte ich diese Schilderungen nicht so recht mit den Taten in Verbindung bringen, die ich damals wirklich vollbracht hatte.
»Glaubt Fitz Osbern das tatsächlich?«, fragte ich und bedachte Robert mit einem grimmigen Blick.
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte er. »Aber diese Geschichte wird nun mal überall erzählt. Und Euer Ruhm nimmt ständig zu, Tancred.«
Ich konnte über diese Bemerkung nur lachen. Die meisten Ritter waren ganz versessen auf Beutegut, auf Silber und Gold, auf mit Edelsteinen besetzte Schwerthefte, doch am sehnlichsten wünschten sie sich Ansehen und Ruhm. Denn tatsächlich bleibt nach unserem Tod ja sonst nichts von uns auf dieser Erde zurück. Deshalb wünschen wir uns, dass uns die Dichter in Liedern verherrlichen, dass sie die Schlachten besingen, in denen wir gekämpft haben, die Männer, die wir erschlagen, und die Reichtümer, die wir erbeutet haben. Dass sie Balladen ersinnen, die an den Lagerfeuern, in den Hallen und in den Palästen der Christenheit noch lange gesungen werden, wie jene von dem traurigen Schicksal, das den Ritter Rollant bei Rencesvals ereilt hat.
Auch ich dachte so. Doch zugleich war mir völlig klar, dass es auf dem Schlachtfeld nicht auf den Ruhm eines Mannes ankam, sondern einzig auf die Kraft seines Schwertarms. Doch wenn das, was über meine angeblichen Taten verbreitet wurde, mir den Respekt derjenigen verschaffte, die mich zuvor geringgeschätzt hatten, hatte ich natürlich nicht unbedingt etwas dagegen.
»Auch Beatrice wird sich gewiss
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