Die Ritter des Nordens
hat mir erzählt, dass Ihr gegen die Waliser zieht«, sagte er.
»So ist es«, erwiderte ich und überlegte, was genau Erchembald ihm erzählt haben mochte. Wusste er etwa, dass wir zu Fitz Osberns Streitkräften stoßen würden? Oder glaubte er, dass wir es bloß auf die Kerle abgesehen hatten, die ihn so schwer verletzt hatten?
»Bringt ein paar von den Hunden für mich um«, sagte er. »Und bloß kein falsches Mitleid.«
Er verzog das Gesicht und fing an zu husten. Ich half ihm, den Oberkörper aufzurichten, dann führte ich ihm den Becher Wein zum Mund, der neben dem Bett auf einem Schemel stand. Er nippte daran und nickte, als er genug hatte. Dann ließ er sich wieder auf die Matratze sinken. Er zog sich die Decke über die zitternden Schultern, umklammerte den Saum und schloss die Augen.
»Nein, kein falsches Mitleid«, sagte ich. »Versprochen.«
Aber er war schon wieder eingeschlafen, und sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Dann hörte ich hinter mir ein Geräusch. Als ich mich umblickte, stand der Priester in der Tür.
»Er wird wahrscheinlich den ganzen Tag durchschlafen«, sagte er. »Ihr könnt von Glück sagen, dass er so viel mit Euch gesprochen hat. Er ist nämlich heute Nacht schon ein paarmal aufgewacht, aber da war er nicht bei sich.«
Als ich den bärenstarken Mann so wehrlos daliegen sah, schwach wie ein Kind, erschauerte ich. Wenn selbst einer wie Ædda so leicht außer Gefecht zu setzen war, wie war es dann erst um uns Übrige bestellt?
»Er hat im Schlaf ständig gesprochen«, fuhr Erchembald fort. »Immer wieder das Gleiche. Zuerst habe ich nicht richtig verstanden, was er sagt, doch dann habe ich irgendwann angefangen mitzuschreiben.«
Er ging zu seinem Schreibpult und holte ein Blatt Pergament, auf das er mit schwarzer Tinte nur eine einzige akkurate Zeile geschrieben hatte. Ich stand auf, und er reichte mir das Blatt. Es war knochentrocken und rollte sich an den Kanten auf.
»Das sind die Worte, die ich verstanden habe, obwohl ich nur mutmaßen kann, was sie bedeuten.«
Zehn Wörter – sonst nichts –, die ich zudem nicht verstand. Nach allem, was ich kannte, schien es mir Englisch zu sein.
»Crungon walo wide; cwoman woldagas, swylt eall fornom secgrofra wera«, las ich laut vor und hatte Mühe, die merkwürdigen Buchstabenkombinationen überhaupt auszusprechen. Gleichzeitig versuchte ich zu verstehen, was der Text auf Französisch bedeuten mochte.
»Weit und breit wurden die Männer niedergemetzelt, Pesttage zogen herauf, und der Tod raffte alle tapferen Männer dahin«, sagte der Priester. »Eine bessere Übersetzung habe ich leider nicht zustande gebracht.«
Ich sah zuerst ihn, dann Ædda an, der bewusstlos auf dem Bett lag. »Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat.«
»Ich auch nicht«, sagte Erchembald. »Am Anfang habe ich gedacht, dass es vielleicht an dem Mohnsaft liegt, denn der kann manchmal Wahnvorstellungen auslösen. Aber er hat den Satz ja ständig wiederholt. Deshalb habe ich irgendwann gedacht, dass es damit vielleicht doch etwas auf sich hat.«
Weit und breit wurden die Männer niedergemetzelt, Pesttage zogen herauf, und der Tod raffte alle tapferen Männer dahin. Die Worte ließen mich buchstäblich erschaudern. Ihre unheilvolle Botschaft ließ das Schlimmste befürchten. Ich berührte das Kreuz, das ich um den Hals trug, und hoffte, dass es mich beschützen würde.
»Stammt das aus der Heiligen Schrift?«, fragte ich.
»Soweit ich weiß, nicht. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht alle Teile des Heiligen Buches gelesen habe. Völlig ausschließen kann ich es also nicht.«
»Glaubt Ihr, dass er uns vor etwas warnen wollte?«
»Wer kann das schon sagen?«, entgegnete Erchembald seufzend. »Als er letzte Nacht aufgewacht ist, wusste er nicht einmal, wo er ist. Und was er im Traum erlebt hat, werden wir natürlich nie erfahren. Vielleicht ist der Text aber auch bloß ein Hirngespinst, und wir sollten ihn nicht weiter ernst nehmen.«
Doch wie Unsinn klangen die Worte in meinen Ohren ganz und gar nicht. Trotzdem war mir völlig unverständlich, was der Engländer damit gemeint haben konnte. Wer waren die tapferen Männer, von denen er gesprochen hatte? Meinte er etwa mich und meine Gefolgsleute?
»Ich möchte Euch jetzt nicht länger aufhalten«, sagte der Priester und riss mich aus meinen Gedanken. »Ich weiß, Ihr habt noch einen weiten Weg vor Euch, wenn Ihr Scrobbesburh noch heute Abend erreichen wollt.«
»Bevor ich gehe, noch eins«,
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