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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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sondern ein dunkelblaues, das in der Dunkelheit weniger auffiel. Wenigstens darüber hatte sie sich offenbar Gedanken gemacht.
    »Ich muss mit Euch sprechen«, murmelte sie. »Ich wollte Euch etwas sagen, aber wahrscheinlich wisst Ihr es ohnehin schon. Den genauen Zeitpunkt weiß ich noch nicht. Angesichts der schwierigen politischen Situation kann es bis dahin aber noch Wochen oder Monate dauern. Jedenfalls haben sich Fitz Osbern und Robert darauf geeinigt …«
    »Ich weiß«, sagte ich ungeduldig. »Robert hat es mir schon erzählt.«
    Betroffen, weil ich ihr ins Wort gefallen war, wandte sie sich wieder in meine Richtung. Dabei konnte ich im Schein der Laterne erkennen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Trotzdem hatte sie sich damals in Lundene von mir abgewandt. Ich beschloss daher, mich nicht wieder auf dieses Spiel einzulassen – egal, was der Grund sein mochte, weswegen sie mich heute Nacht in diese Kirche gebeten hatte. Die Zuneigung, die ich ihr entgegengebracht hatte, war damals aufrichtig gewesen, doch nun hatte sie sich verflüchtigt und war nur noch eine geisterhafte Erinnerung.
    »Es ist jetzt schon über ein Jahr her, seit wir uns zuletzt gesehen haben«, sagte sie. »Warum habt Ihr Euch nach der Eroberung von Eoferwic nie mehr bei mir blicken lassen?«
    »Warum?« Ich hätte fast gelacht. »Weil Ihr die Schwester meines Lehnsherrn seid. Ist das nicht etwa Grund genug?«
    »Aber das hat Euch doch früher nicht gehindert.«
    Da hatte sie allerdings recht. Ich war damals einfach dumm gewesen – und sie auch. Dass wir jetzt in dieser Kirche zusammen waren, konnte man ebenfalls nur als dumm bezeichnen.
    »Wenn uns hier jemand findet, bringt das Schimpf und Schande über uns beide«, sagte ich. Wobei eine solche Entdeckung für sie zweifelsohne schlimmer sein würde als für mich. »Das wisst Ihr doch genau, und das wusstet Ihr auch damals schon.«
    Ich hatte immer noch das dumpfe Gefühl, dass jeden Augenblick jemand hereinkommen musste. Es wäre ein Leichtes gewesen, uns bis hierherzufolgen. Schließlich gab es in dieser Stadt zahllose dunkle Ecken, in denen man sich verstecken konnte. Falls jemand herausfinden sollte, dass wir uns hier getroffen hatten, würde Robert das zweifellos erfahren, und was dann los war, daran wollte ich lieber gar nicht denken.
    Beatrice wusste nur zu gut, dass ich recht hatte. Sie stand da, hatte den Blick auf den Boden gerichtet und schüttelte den Kopf. Eine vage Hoffnung hatte sie dazu verleitet, mitten in der Nacht hierher zu kommen, und sie wusste natürlich nicht, ob diese Hoffnung berechtigt war; wusste nicht, wie ich reagieren würde. Sie war also mehrere Risiken gleichzeitig eingegangen.
    »Merkwürdig«, sagte sie ruhig. »Ihr seid zwar noch genau so, wie ich Euch in Erinnerung habe, trotzdem habt Ihr Euch irgendwie verändert.«
    Ich wusste nicht recht, ob das nun eine Feststellung war oder ein Vorwurf sein sollte. Dabei hatte sie ja recht. Schon möglich, dass auch sie sich ein wenig verändert hatte, doch ich war inzwischen ein völlig anderer Mensch als damals in Lundene. Das war kurz nach Dunholm gewesen, wo ich alles verloren hatte. Wo nicht nur mein Gefolgsherr und meine Frau, sondern auch viele meiner engsten Kameraden den Tod gefunden hatten; und ohne diese Menschen, ohne mein Schwert, ohne mein Pferd und mein Silber war ich nichts. Kaum ein Jahr später hatte ich jedoch ein großes Landgut, ich besaß eine Halle und eigene Gefolgsleute. Damals hatte ich nichts zu verlieren und alles zu gewinnen gehabt, jetzt dagegen verhielt es sich genau umgekehrt.
    Ich stieß einen Seufzer aus, wusste nicht, was ich sagen sollte. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen. Ich musste ihr irgendwie beibringen, dass das, was zwischen uns gewesen war, nur noch Erinnerung war. Doch die zärtlichen Gefühle, die in mir noch immer für sie glommen, ließen mich zögern und nach den richtigen Worten suchen.
    »Beatrice …«
    Bevor ich weitersprechen konnte, erklangen von draußen durchdringende Schreie. Gleichzeitig waren Stimmen und Gelächter mehrerer Männer zu hören, laut genug, um die ganze Stadt aufzuwecken. Ich griff instinktiv nach dem Heft meines Dolches und blickte zur Tür, weil ich damit rechnete, dass die Männer jeden Augenblick hereinstürmen würden. Doch nichts geschah.
    »Papia«, wisperte Beatrice und sah mich ängstlich an.
    Offenbar war uns jemand gefolgt, dachte ich, und jetzt hatten sie das Mädchen entdeckt. Ich verfluchte mich selbst, weil ich so

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