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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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auch morgen früh noch erzählen, war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.
    Irgendwann in der Nacht wurde ich plötzlich wach. Draußen war es noch dunkel, und auch die Vögel schwiegen noch. Ringsum war alles still, und ich wusste anfangs nicht recht, was mich geweckt hatte. Obwohl ich angestrengt lauschte, hörte ich zunächst nichts. Ich wollte mich gerade wieder umdrehen, um weiterzuschlafen, als ich im Gras leise Schritte hörte.
    Ich blieb reglos liegen, hielt den Atem an und lauschte aufmerksam. Draußen vor dem Zelt, nahe der Feuerstelle, schlich jemand umher. Die Person bewegte sich fast lautlos und war offenbar bemüht, keinen Lärm zu machen. Unwahrscheinlich, dass einer von meinen oder von Roberts Männern mitten in der Nacht herumlief – andererseits: Wer sollte sonst um diese Tageszeit in unserem Lager zwischen den Zelten umherschleichen?
    Wenn wir im Feld waren, schliefen gewöhnlich zwei Männer in einem Zelt. Als Edelmann und Lord nahm ich allerdings ein Zelt für mich allein in Anspruch. Während sich die anderen Edelleute nachts meist von Huren aus dem Tross verwöhnen ließen, hatte ich mein Zelt seit der Zeit mit Oswynn mit niemandem mehr geteilt. Auch in dieser Nacht teilte ich das Lager einzig mit meinem Schwert, das neben mir auf der Decke lag, und mit meinem Dolch, den ich unter dem zum Kissen zusammengerollten Mantel unter meinem Kopf verwahrte. Vorsichtig, um den Eindringling nicht aufzuschrecken, griff ich nach dem Messer und zog die Klinge lautlos aus dem Futteral. Sollte es tatsächlich zum Nahkampf kommen, war eine kurze Klinge besser als eine lange.
    So geräuschlos wie möglich kroch ich zum Eingang des Zeltes, das vorne zwar geschlossen, aber nicht zugeschnürt war, und spähte durch die schmale Öffnung. Obwohl die Nacht sternenklar war, hatte sich der Mond gerade hinter einer Wolke versteckt; von unserem Lagerfeuer war nur noch ein glimmender Aschehaufen übrig, aus dem ein paar filigrane Rauchkringel in die Luft stiegen. Weit und breit war niemand zu sehen. So schob ich mich, den Dolch vor mich haltend, vorsichtig aus dem Zelt.
    Draußen war es wie erwartet ziemlich frisch. Ich trug bloß meinen Rock und meine lange Hose. Da ich mich barfuß leiser bewegen konnte, hatte ich die Stiefel im Zelt gelassen. So stand ich gebückt vor dem Zelt und blickte umher. Wir hatten unsere acht Zelte kreisförmig um die Feuerstelle herum aufgestellt; einige weitere standen etwas abseits. Als ich nun um mein Zelt herumging, sah ich eine zierliche Gestalt. Sie war in einen schwarzen Umhang gehüllt und kauerte nur ein paar Schritte von mir entfernt direkt vor Serlos und Pons’ Zelt am Boden.
    Als sich der Fremde vorne am Zelt der beiden zu schaffen machte, sprang ich ihn an. Noch bevor er sich zu mir umdrehen konnte, hatte ich ihn gepackt und zog ihn auf die Füße. Mit einer Hand hielt ich ihm von hinten den Mund zu, mit der anderen setzte ich ihm das Messer an die Kehle. Der Stahl schimmerte matt im Sternenlicht.
    Die Gestalt strampelte und wollte sich losreißen, doch ich konnte sie mühelos festhalten. Dabei bog ich ihr den Kopf so in den Nacken, dass die flache Seite der Klinge ihren nackten Hals berührte.
    »Wenn du auch nur einen Ton von dir gibst, schlitze ich dir die Kehle auf«, flüsterte ich.
    Der Fremde war kaum größer als ein Kind, dazu klapperdürr – eine halbe Portion. Vielleicht ein Dieb oder einer von den Bettlern, an denen wir unten an der Brücke vorbeigekommen waren. Er schien gute Nerven zu haben, dass er es wagte, so erfahrene Krieger wie uns einfach zu bestehlen.
    »Wer bist du?«, fragte ich. »Und was tust du hier?«
    Vor Angst konnte der junge Bengel nicht antworten, sein Atem kam stoßweise, dann fing er an zu zittern, dann zu schluchzen.
    »Hör auf zu heulen, Junge.« Falls der freche Bengel glaubte, dass er mich durch sein Geheul erweichen konnte, hatte er sich getäuscht. »Los, sag schon.«
    »Bi-bitte bringt mich nicht u-um, Mylord.«
    Ich war fassungslos. Eine Mädchenstimme. Ich ließ den Dolch sinken und drehte die Besucherin um. Dabei rutschte ihr die Kapuze vom Kopf, und ich konnte ihr Gesicht sehen. Es war die junge Dienerin, die ich bei Beatrice gesehen hatte. Ihr braunes Haar schimmerte matt im Licht der Sterne.
    »B-bitte, Mylord«, sagte sie schluchzend und wagte es kaum, mich anzuschauen.
    »Was machst du denn hier?«
    Offenbar immer noch erstarrt vor Schreck, schluchzte sie so erbärmlich, dass sie nicht weitersprechen konnte. Wir mussten

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