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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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von hier weg, wenn wir kein Aufsehen erregen wollten. Also fasste ich sie am Handgelenk und führte sie zum Fluss hinunter, in dem sich die Sterne spiegelten. Sie leistete keinen Widerstand und ließ sich von mir wegziehen. Als wir uns weit genug von den Zelten entfernt hatten, um nicht mehr flüstern zu müssen, blieb ich stehen.
    »Es tut mir leid, Mylord«, sagte sie. »Aber ich wusste doch nicht, in welchem Zelt Ihr schlaft. Ich wollte Euch nicht …«
    Die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor, und ich hob besänftigend die Hand. »Keine Angst, ich tu dir nichts. Wie heißt du?«
    Sie neigte den Kopf. »Papia.«
    »Bist du nicht eine von Lady Beatrice’ Dienerinnen?«
    Sie nickte, immer noch zitternd, aber wenigstens hatte sie aufgehört zu weinen.
    »Weißt du, wer ich bin?«, fragte ich.
    »Ja, Ihr seid Tancred a Dinant«, sagte sie, und ich sah, dass sie einen Kloß im Hals hatte. »Seigneur of Earnford und früher Gefolgsmann des Robert de Commines, Earl von Northumbria, möge Gott seiner Seele gnädig sein.«
    Offenbar kannte sie mein Gesicht. Wahrscheinlich hatte sie mich schon einmal irgendwo gesehen. Trotzdem war ich nicht so berühmt, dass jeder Domestik wusste, dass ich einst in Robert de Commines’ Diensten gestanden hatte.
    »Hat Lady Beatrice dich geschickt?«
    Wieder nickte das Mädchen. »Sie würde Euch heute Nacht gerne treffen, wenn Ihr sie sehen wollt.«
    »Heute Nacht?«
    »Während ich hier mit Euch spreche, wartet sie in der Kirche des heiligen Ealhmund auf Euch.«
    Dass sie so bald nach mir geschickt hatte, kam mir etwas merkwürdig vor. Obwohl mein Herz einen Sprung tat, erwachte sofort mein Misstrauen. Vielleicht wollte mir ja auch bloß jemand eine Falle stellen.
    »Ist sie dort allein?«, fragte ich Papia.
    »Ja, sie ist dort allein, Mylord.«
    Was für eine Frage. Genauso sinnlos wie die Antwort. Wenn das Mädchen mich in eine Falle locken wollte, konnte sie mir natürlich nur diese Antwort geben.
    »Wenn Ihr bereit seid, sollten wir am besten sofort gehen, Mylord«, sagte das Mädchen. »Je länger meine Herrin abwesend ist, umso größer ist die Gefahr, dass jemand etwas bemerkt.«
    Ich schloss die Augen, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und wartete vergeblich auf eine Antwort. Von Gott durfte ich mir offenbar keinen Rat erhoffen.
    »Nun gut«, sagte ich. »Warte hier, ich hole meinen Mantel.«
    Mir war zwar nicht kalt, doch ich wollte Beatrice nicht in den verstaubten Kleidern aufsuchen, die ich auf der Reise getragen hatte. Und einen zweiten Rock hatte ich nicht im Gepäck.
    Also ging ich wieder zu meinem Zelt, nahm das Dolchfutteral und schnallte mir mein Schwert um. Ich kannte mich in Scrobbesburh nicht aus, doch es war grundsätzlich gefährlich, nachts durch eine Stadt zu gehen. Deshalb wollte ich auf unangenehme Überraschungen vorbereitet sein. Außerdem fühlte ich mich grundsätzlich nackt, wenn ich irgendwo ohne Waffe unterwegs war. Ja, es stimmte schon: Das Schwert war mein Beruf, wie einmal jemand sehr treffend über mich gesagt hatte.
    Nachdem ich mir die Stiefel angezogen und mir den Mantel um die Schultern drapiert hatte, ging ich wieder zu der Stelle, wo ich Papia zurückgelassen hatte. Im ersten Augenblick dachte ich, sie sei nicht mehr da, doch dann sah ich, dass sie – den Rücken an den Stamm einer Birke gelehnt – im Gras saß. Als sie mich kommen sah, stand sie sofort auf und schüttelte ihren Umhang aus. Ihre Tränen waren inzwischen getrocknet, und sie hatte ihre Fassung wiedergewonnen.
    »Komm, gehen wir«, sagte ich. »Zeig mir den Weg.«
    So gingen wir den Hang hinauf und befanden uns bereits kurz darauf in dem für Scrobbesburh typischen Gewirr aus engen Gassen, niedrigen Holzhäusern und langen Markthallen. Die einzigen Geräusche, die wir unterwegs hörten, waren die Stimmen und das Gelächter einiger Betrunkener, die einige Straßen weiter offenbar noch die Freuden der Nacht genossen.
    Papia bog in eine dunkle Gasse ein, die von der Hauptstraße abzweigte. Die Stimmen waren jetzt nicht mehr sehr weit entfernt, und ich konnte englische und französische Wörter unterscheiden. Irgendwo fing ein Hund an zu kläffen, und einige Kinder, die von dem Lärm wach geworden waren, fingen an zu weinen. Ich überlegte, was die Ursache der Aufregung sein mochte. Doch das Mädchen ging die ganze Zeit unbeirrt weiter. Sie hatte die Röcke gerafft, damit sie nicht durch den Schmutz und den Dung auf dem Straßenpflaster schleiften. Kurz darauf bogen wir um eine

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