Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
Vom Netzwerk:
Bewohner uns für Landsleute hielten. Vielleicht konnten sie sich aber auch nicht vorstellen, dass ein feindliches Truppenkontingent so weit ins Landesinnere vorzudringen vermochte. Jedenfalls schienen sie zunächst nicht weiter besorgt. Erst als wir schon fast unten im Dorf angekommen waren und die Leute unsere Banner, unsere Kettenpanzer und die Zeichen auf unseren Schilden erkennen konnten, waren die ersten Warnrufe zu hören. Sofort ließen die Männer überall im Tal die Ochsengespanne und die Herden im Stich, oder sie stellten ihre Eimer und Spaten beiseite. Die Frauen und Töchter nahmen in aller Eile die kleinen Kinder auf den Arm; einige flüchteten in die Wälder, andere verkrochen sich in der baufälligen Mühle unten am Fluss, wo sie Zuflucht vor unseren Schwertern zu finden hofften.
    Schließlich blieb nur ein halbes Dutzend – teils tapfere, teils bloß verwegene – Männer im Dorf zurück, um uns entgegenzutreten. Sie waren nur wenige, wir dagegen viele, und während sie nur mit Sicheln und Heugabeln bewaffnet waren, besaßen wir Schwerter und Lanzen und waren durch unsere Panzer geschützt. Wehrlose Bauern abzuschlachten ist nicht eben ruhmvoll; deshalb finden die wenigsten Ritter Spaß daran. Da die Männer sich uns jedoch freiwillig in den Weg stellten, statt mit ihren Frauen, den Kindern und den Alten zu fliehen, wählten sie selbst den Tod. Tatsächlich konnte ich nicht umhin, sie zu bewundern. Denn obwohl sie nur wenige waren und vom Waffenhandwerk nichts verstanden, traten sie uns unerschrocken entgegen und schafften es sogar, zwei unserer Ritter aus dem Sattel zu werfen und einen dritten am Schwertarm zu verletzen. Das allein war bereits eine beachtliche Leistung.
    Kurz darauf waren sie bereits überwältigt, und wir machten uns an die Arbeit: Wir rissen das Stroh von den Dachsparren, suchten unter Bodendielen nach Wertgegenständen, töteten die Schweine in den Ställen und die Schafe in den Pferchen, zündeten die Speicher und die Mühle an. Da das Dorf recht klein war, brauchten wir nicht lange, um es zu verwüsten. Als wir fertig waren, waren von der kleinen Ansiedlung nur noch ein paar umgestürzte Zäune, mehrere zerstörte Gebäude und rußgeschwärzte Ruinen sowie diverse Tierkadaver übrig. Der Rauch, der in der Luft hing, brannte mir in der Lunge, trieb mir das Wasser in die Augen, und ich wischte mir verstohlen einige Tränen ab.
    Die Menschen, die noch vor wenigen Stunden hier gelebt hatten, würden gewiss nicht an diesen Ort zurückkehren. Falls sie auch nur einen Funken Verstand besaßen, würden sie ins nächste Dorf fliehen und dort erzählen, was hier geschehen war. Und sehr bald schon würden dann auch Rhiwallon, Bleddyn, Eadric der Wilde und ihre Männer Kunde davon erhalten und wissen, dass wir es auf sie abgesehen hatten.
    Bald darauf zogen wir aus der Flussebene wieder in das Hügelland hinauf, bis wir einige Stunden später einen Gebirgszug erreichten, dessen Gipfel in den Wolken verborgen waren. Das Gelände wurde jetzt schwieriger und unwegsamer, und wir kamen in dem hohen Gras und in den dichten Wäldern, die an den Hängen wuchsen, nur mühsam voran. Der Krieg hatte mich schon in viele christliche Reiche geführt, aber so eine Gegend hatte ich noch nie gesehen. Für eine offene Feldschlacht war das steil ansteigende und zerklüftete Gelände völlig ungeeignet, weil sich die Kavallerie dort nicht einsetzen ließ. Außerdem gab es dort viele Bäche und zahlreiche tückische Fuchs- und Dachsbauten. Ich achtete ständig darauf, ob ich zwischen den Bäumen und Sträuchern etwas Verdächtiges entdecken konnte. Und obwohl ich nichts Auffälliges bemerkte, blieb ich auf der Hut und hielt mich mit meinem Kontingent nach Möglichkeit so weit vom Waldrand entfernt, dass uns etwaige Bogenschützen nicht gefährlich werden konnten.
    »Wenn wir den Pass erst hinter uns haben, geht es wieder leichter voran«, versicherte mir Maredudd.
    Ithel schien diese Auffassung zwar nicht zu teilen, wagte es aber nicht, seinem älteren Bruder zu widersprechen. Vermutlich war Haerarddur der Einzige, der sich in der Gegend wirklich auskannte, doch ihm traute ich mittlerweile nicht mehr über den Weg. Seit er nicht mehr direkt um sein Leben zu fürchten brauchte, trat er plötzlich sehr selbstbewusst auf. Von der Angst, die er in der Schlacht und danach an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr zu spüren, und obwohl er eigentlich unser Gefangener war, unterhielt er sich pausenlos mit den

Weitere Kostenlose Bücher