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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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einzunehmen. Und jetzt erst recht nicht mehr, denn diese Demütigung wird er dir so schnell nicht verzeihen.«
    Wace war einer meiner ältesten Freunde. Ich hatte stets viel auf sein Urteil gegeben. Er war vernünftiger als Eudo und sagte stets offen seine Meinung, was viele Männer gar nicht mochten und was ihm im Laufe der Jahre schon eine Menge Ärger eingebracht hatte; doch ich respektierte seine Art. Aber so gut er es vielleicht auch meinte: In dem Punkt, um den es hier ging, konnte ich seine Meinung nicht teilen. Erst wenn ich wusste, warum Berengar so wütend auf mich war, konnte ich vielleicht etwas gegen diesen Zustand unternehmen.
    »Tust du das für mich?«, fragte ich.
    Er sah mich streng an – mit dem gesunden und mit dem kranken Auge – und schürzte die Lippen, wie er es oft tat, wenn seine Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde. »Am besten, du vergisst einfach, was passiert ist, und hoffst darauf, dass Berengar es genauso hält.« Er sprach ganz langsam, als ob er es mit einem eigensinnigen Kind zu tun hätte.
    »Das ist keine Antwort.«
    Wace gab einen Stoßseufzer von sich. »Wenn du es unbedingt willst, werde ich sehen, was ich tun kann. Aber wenn du mich fragst, solltest du die Sache auf sich beruhen lassen.«
    Dann ging er weg – bedrückt, wie es schien. Ich hatte den Eindruck, dass ihm noch etwas anderes auf dem Herzen lag, etwas, was er mir verschwieg, obwohl ich keine Ahnung hatte, was das sein konnte.
    Heute – nach so vielen Jahren – muss ich im Rückblick sagen, dass ich damals wirklich Glück mit meinen Freunden hatte, auch wenn mir das damals nicht so klar war. Wace und Eudo waren für mich wie Brüder, sie waren die Menschen, die mir am nächsten standen. Deshalb gehören die Jahre, die wir zusammen auf der Burg in Commines verbracht, die Jahre, in denen wir das Waffenhandwerk erlernt, zusammen gefeiert, getrunken und unter demselben Banner gekämpft haben, bis heute zu den schönsten meines ganzen Lebens. Seit dem Tod unseres Lehnsherrn hatte sich jedoch vieles geändert. Wir waren jetzt nicht mehr bloß Gefolgsleute, sondern Lords aus eigenem Recht. Ja, wir hatten eigene Gefolgsleute, denen wir ebenfalls verpflichtet waren. Und obwohl die alten Bande der Freundschaft weiterhin Bestand hatten, war nicht zu leugnen, dass der Zusammenhalt ein wenig schwächer geworden war. Daher erfüllte mich ein eigenartiges Gefühl der Trauer, als ich Wace jetzt zu seinen Leuten gehen sah.
    Im Übrigen war dies nicht das Einzige, was mich beschäftigte. Auch wenn ich es niemals offen zugegeben hätte: Berengars Drohungen machten mich nervös. Warum das so war, wusste ich selbst nicht so genau. Schon viele Männer hatten mir im Laufe der Jahre den Tod angedroht, aber das war meist in der Hitze der Schlacht gewesen, und ich hatte sie kommen sehen. Aber das hier war etwas anderes, und je länger ich darüber nachdachte, umso besorgter wurde ich.
    Es regnete jetzt stärker als zuvor. Ich raffte meinen Mantel enger um die Schultern und zog mir die Kapuze über den Kopf. Plötzlich fing ich an zu zittern und wusste selbst nicht, warum.

Dreizehn
    •
    B evor wir dem Schlachtfeld den Rücken kehrten und weiterzogen, ordnete ich an, die gefallenen Feinde, die ringsum in der Heide lagen, am höchsten Punkt des Weges zu einem weithin sichtbaren Haufen aufzustapeln. Es war fast windstill, und in der Luft hing der widerliche Gestank geplatzter Gedärme. Direkt neben dem Haufen verstümmelter Leiber und abgetrennter Gliedmaßen pflanzte ich einen Speer mit dem blutbefleckten Falkenwimpel auf. Jeder, der vorbeikam, sollte wissen, wer das hier getan hatte. Bisher gab es in Wales kaum Leute, die den Falken von Earnford kannten. Ich war jedoch fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass sich das schon bald ändern würde.
    Dann wurden mir die wenigen Feinde vorgeführt, die lieber die Waffen niedergelegt hatten, als zu kämpfen oder die Flucht zu ergreifen. Es waren zehn Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Gestalt und Größe. Man hatte ihnen die Hände auf den Rücken gebunden, und sie traten mit weit aufgerissenen Augen vor mich. Obwohl sie eigentlich mit dem Tod rechnen mussten, schienen sie noch auf Schonung zu hoffen. Falls ich es befehlen sollte, würden ihnen meine Männer mit einem Schwertstreich den Kopf vom Rumpf trennen, ihnen das Lebenslicht ausblasen und sie in jene Welt befördern, in der ihre gefallenen Kameraden bereits weilten. Dazu hätte es bloß eines einzigen Wortes

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