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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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bedurft.
    Doch ich hatte gar nicht die Absicht, sie töten zu lassen. Wenigstens jetzt noch nicht. Denn ich erhoffte mir von ihnen Aufschluss über die geplanten Manöver des feindlichen Heeres; zumindest aber konnten sie uns verraten, wo sich das Feldlager befand, zu dem sie unterwegs gewesen waren.
    »Mathrafal«, sagte Ithel, nachdem er mit ihnen gesprochen hatte. Er diente mir als Übersetzer, während sein Bruder dafür sorgte, dass unser Kampfverband sich wieder ordnete und abmarschfertig machte. Ithel waren die Erregung und Anstrengung der Schlacht immer noch anzusehen, und sein Gesicht war noch stärker gerötet als sonst. Er war deutlich korpulenter als die meisten Krieger, die ich kannte, und obwohl ich ihn nicht hatte kämpfen sehen, hegte ich keinen Zweifel daran, dass er seine Sache gut gemacht hatte.
    »Mathrafal?«, wiederholte ich, um mich zu vergewissern, dass ich ihn richtig verstanden hatte. In meinen Ohren klang es nicht wie ein Wort, sondern es hörte sich an, als ob jemand Schleim hochwürgte, um ihn auszuspucken. Auf jeden Fall klang es bedrohlich.
    »So heißt der Ort, wo die Usurpatoren ihre Truppen um sich versammeln«, sagte Ithel. »Wenigstens behaupten das die Männer.«
    Ich hegte keinen Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit. Da sie wussten, dass ihr Leben von einer ehrlichen Antwort abhing, würden sie es sich dreimal überlegen, uns zu belügen. »Und wie weit ist das von hier?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Auf der alten Straße vielleicht einen Tagesmarsch, querfeldein dauert es etwas länger. Aber ich selbst bin noch nie dort gewesen, sondern habe nur davon gehört. Deshalb kann ich darüber nichts Näheres sagen.«
    »Dann müsst Ihr halt jemanden auftreiben, der schon einmal dort war«, sagte ich.
    Trotz des morgendlichen Geplänkels war ich immer noch in Kampfstimmung. Deshalb spielte ich mit dem Gedanken, nach Mathrafal vorauszureiten, und sei es auch nur, um mir persönlich einen Eindruck von dem feindlichen Feldlager und von der Stärke des Gegners zu verschaffen.
    Kurz darauf zerrte man einen der gefangenen Waliser vor mich. Anders als die Mehrzahl seiner Landsleute, die viel Wert auf ihr Äußeres legten und meist glattrasiert waren, trug der Mann einen struppigen Bart, und die meisten seiner oberen Zähne waren entweder abgebrochen oder gar nicht mehr vorhanden, sodass er beim Sprechen lispelte. Er trug eine viel zu große Rüstung, die er vermutlich einem gefallenen Feind abgenommen hatte, denn er sah ganz und gar nicht aus, als ob er sich so einen Kettenpanzer wirklich leisten konnte.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Er nennt sich Haerarddur«, sagte Ithel. »Er war der Anführer des Haufens.«
    Ich hob eine Augenbraue. Anführer hin oder her – aber was für eine jämmerliche Kreatur, wenn er das Schwert schon weggeworfen hatte, während seine Männer ringsum noch gekämpft hatten. Als man ihn aufforderte, vor mir niederzuknien, fing er an zu schlottern. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Mensch in der Lage war, einen Schildwall zusammenzuhalten oder eine Schlachtreihe in Stellung zu bringen.
    »Fragt ihn, was es mit diesem Mathrafal auf sich hat«, sagte ich.
    Dann wartete ich, bis Ithel meine Frage übersetzt und der Mann geantwortet hatte.
    »Er sagt, dass es schon ein paar Jahre her ist, seit er zuletzt dort war«, sagte der rotgesichtige Ithel. »Doch soweit er sich erinnert, ist der Ort kaum mehr als ein Dorf und liegt in einer breiten Flussebene. Den Mittelpunkt des Ortes, der von Weideland und Heuwiesen umgeben ist, bildet angeblich eine große Halle.«
    »Und wieso zieht der Feind ausgerechnet dort seine Streitkräfte zusammen?«, dachte ich laut nach. Eine Festung schien der Ort jedenfalls nicht zu sein.
    »Weil sich dort der Stammsitz von Bleddyn und Rhiwallon befindet. Der Ort ist das Zentrum des Königreichs Powys, manche würden vielleicht sogar sagen von ganz Wales.«
    Ein solcher Ort bot sich in der Tat als Treffpunkt an. »Und wie gut ist dieser Herrensitz geschützt?«, fragte ich und musste unwillkürlich an Earnford denken. »Gibt es dort wenigstens einen Erdwall oder eine Mauer oder Palisaden?«
    Auf Ithels Stirn erschien eine Falte. »Ihr habt doch nicht etwa vor, den Feind dort anzugreifen?«
    »Fragt ihn einfach«, sagte ich; dabei waren Ithels Bedenken natürlich mehr als berechtigt. Egal wie gut oder schlecht der Ort befestigt war, wir hatten einfach nicht genügend Leute, um direkt in das feindliche Feldlager zu marschieren.

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