Die Ritter des Nordens
bilden, der den Reitern den Weg abschnitt, bevor wir ihnen in den Rücken fielen.
Doch ich wartete vergebens auf den Pfeilhagel, und es war auch nirgends ein Speerkämpfer zu sehen. Und der Vorsprung der Feinde wurde immer größer.
»Los, schneller!«, brüllte ich, obwohl meine Leute und ihre Pferde ohnehin schon alles gaben. »Schneller!«
Die Feinde ritten jetzt keine hundert Schritt unterhalb des Dickichts vorbei, in dem unsere walisischen Verbündeten sie eigentlich schon erwarten mussten. Ich umschloss mit der einen Hand den Handriemen meines Schilds, zügelte mein Pferd mit der anderen und betete inständig zu Gott und seinen Heiligen: Bitte lass die Pfeile fliegen. Aber die Pfeile flogen nicht. Wo waren die beiden Prinzen? Oder ob sie ein Stück weiter vorne eine günstigere Position gefunden hatten? Jenseits des Dickichts öffnete sich das Tal, wo unweit des Flusses einzig ein paar dornige Sträucher Deckung boten.
Unsere Pferde galoppierten mit trommelnden Hufen über das Gras, wirbelten Steinchen und Erdreich auf. Nihtfeax’ Mähne flatterte im Wind. Meine Wangen waren nass von dem Nieselregen, der uns ins Gesicht peitschte. Ich drückte meinem Pferd die Fersen in die Flanken, trieb es zu äußerster Anstrengung an.
»Für die Normandie!«, schrie jemand seitlich von mir. Als ich zur Seite blickte, sah ich Eudo, dessen Augen vor Kampfeslust nur so sprühten und der den Blick nicht eine Sekunde von den Reitern weiter vorne abwandte. »Hoch lebe König Guillaume!«
Und dann ging alles blitzschnell, so überstürzt, dass ich es zunächst kaum begriff: Aus dem Dickicht weiter oben schoss ein Schwarm schwarzer Striche hervor. Doch die Silberspitzen flogen nicht etwa auf den Feind, sondern auf uns. Ich hörte ein lautes Zischen, als eines der Geschosse vielleicht eine Handbreit an meinem Helm vorbeiflog. Ein anderer Pfeil landete direkt vor Nihtfeax’ Hufen. Dann ging ein ganzer Hagel messerscharfer Geschosse über uns nieder.
»Die Schilde!«, brüllte eine Stimme, die offenbar meine eigene war – ich war mir nicht bewusst, dass ich sie erhoben hatte.
Dann brach ringsum das Chaos aus. Wer immer die Warnung gerufen hatte, sie kam zu spät. Die von Pfeilen getroffenen Pferde brachen in herzzerreißendes Wiehern aus. Sie bäumten sich auf und warfen ihre Reiter aus dem Sattel. Einige unserer Ritter hatten die Pferde zum Stehen gebracht, wussten aber nicht, was sie tun sollten, und boten sich dem Feind daher umso hilfloser als Zielscheibe dar. Andere versuchten ihre Pferde abrupt zu wenden, und die Tiere stürzten zu Boden. Grasbüschel und Erdklumpen flogen durch die Luft, und die Tiere begruben ihre Reiter unter sich und zerquetschten sie. Keine zehn Schritte von mir entfernt traf ein Pfeil einen von Wace’ Männern direkt in den Hals, und die Spitze trat vorne durch das Visier wieder aus. Der Reiter stürzte seitlich vom Pferd und war schon tot, bevor er den Boden berührte.
»Rückzug«, brüllte Wace. »Alle Mann zurück!«
Wieder ging ein Pfeilhagel aus dem Wald oberhalb von uns nieder. Dann traten Speerkämpfer zwischen den Bäumen hervor, trommelten mit den Schäften ihrer Spieße und den Schwertgriffen auf den Rand ihrer Schilde, erzeugten den typischen rhythmischen Schlachtendonner, während sie gegen uns vorrückten.
Mein erster Gedanke war, dass Berengar doch recht gehabt hatte: dass die Prinzen uns tatsächlich verraten hatten. Nach meinem Zerwürfnis mit den beiden hätte ich auf ihn hören sollen. Eine unbändige Wut stieg in mir auf: Wut auf die Brüder, die uns schon die ganze Zeit betrogen hatten, Wut auf mich selbst, weil ich dies erst so spät begriffen hatte. Doch zu spät.
»Zurück!«, schrie ich und gab meinen Rittern das Zeichen zum Rückzug. Mehr als zehn von ihnen lagen bereits am Boden, bluteten aus Wunden, die nicht mehr zu heilen waren. »Conroi, mir nach!«
Rechts und links von mir bohrten sich Speere in den weichen Boden. Nihtfeax wirbelte herum, und dann galoppierten wir wieder dorthin zurück, woher wir gekommen waren, Richtung Mühle, wo sich unsere versprengten Truppen gerade wieder sammelten und neu ordneten.
Dann sah ich Ithel und Maredudd, die zusammen mit ihrem teulu den Hang heruntergaloppierten: vierzig oder fünfzig Mann mit gold-grünen Wimpeln vorne an den Lanzen. Dahinter rannten und stolperten ein Haufen Fußknechte in Lederwämsern durch das Gras, die ihre Bögen in der Hand hielten oder geschultert hatten; einige von ihnen mit Rundschilden an den
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