Die Ritter des Nordens
Stellung brachte.
»Habt Ihr nicht gehört?«, brüllte er und hob drohend das Schwert. »Jetzt rückt schon vor, sonst bekommt Ihr es mit meiner Klinge zu tun.«
Er schrie so laut, dass ich schon befürchtete, er würde seine Drohung wirklich wahrmachen, und den Lords erging es offenbar ebenso. Denn sie versammelten tatsächlich einer nach dem anderen ihre Einheiten um sich und brachten die Männer unter Drohungen und Verwünschungen dazu, in einer Linie vorzurücken – wenn auch nur widerstrebend. Auf der anderen Seite der Mühle stiegen die beiden walisischen Prinzen gerade von ihren Pferden, während sich Wace nicht weit von ihnen entfernt darum bemühte, den rechten Flügel unserer Formation neu zu ordnen, und die Männer immer wieder nachdrücklich dazu aufforderte, die Reihen zu schließen.
»Sorg du hier für Ordnung«, sagte ich zu Eudo. Dann sprang ich aus dem Sattel und sprintete zu den beiden Walisern. Unterhalb der Mühle war das Gelände morastig, weil die Mühlbäche abgesperrt und übergelaufen waren. Meine Stiefel versanken schon nach wenigen Schritten tief im Schlamm.
»Sie haben hier auf uns gewartet«, sagte Maredudd immer noch völlig außer Atem, als ich schließlich neben ihm stand. Dornen hatten ihn übel zugerichtet. Sein Kettenpanzer reichte ihm nur bis zu den Ellbogen, und als er sich an den Unterarm fasste, verzog er das Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse. »Als wir oben im Wald ankamen, sind sie plötzlich über uns hergefallen. Wir hatten überhaupt keine Chance.«
»Sind das alle Männer, die Ihr noch habt?«, fragte ich und zeigte auf den kleinen Trupp, der gemeinsam mit ihm die Mühle erreicht hatte. Erst vor einer guten Stunde war er mit rund hundertfünfzig Mann ausgerückt, von denen nur noch rund die Hälfte übrig waren. Einige von ihnen standen – die Hände auf die Knie gestützt – vornübergebeugt im Gras und erbrachen sich, während andere am Boden lagen und einfach ins Nichts starrten.
»Los, aufstehen«, schrie Wace. Als die Männer sich nicht rührten, kam Ithel ihm zu Hilfe und brüllte: »Kyuodwch chwi!«
Maredudd nickte. »Ja, das sind alle.«
Ich stieß eine Verwünschung aus, doch wir durften nicht lange untätig hier herumstehen, wenn wir den Tag überleben wollten. Denn der Angriff der Feinde würde zweifellos nicht mehr lange auf sich warten lassen. Bald würden sie – von Wut und Angriffslust übermannt – mit erhobenen Speeren und Schwertern und Mordlust im Blick aus dem Wald hervorbrechen und den Hang hinunterstürmen.
Doch bevor es so weit war, gab es für uns noch einiges zu tun.
»Sammelt Eure Männer«, wies ich die beiden Prinzen an. »Wir werden ihre Speere schon bald dringend brauchen.«
Auf dem Weg zurück zu Eudo und meinem Pferd fiel mir etwas ein, was uns vielleicht noch helfen konnte. Nichts Spektakuläres zwar, aber wir hatten nichts mehr zu verlieren. Und selbst wenn es uns nichts nützen würde, verschaffte es uns immerhin die Gelegenheit, eine große Zahl feindlicher Krieger mit uns ins Verderben zu reißen.
Fünfzehn
•
A ls ich wieder zu meiner Einheit zurückkam, erwarteten mich Snocca und Cnebba bereits. Auch die anderen Knappen kümmerten sich um ihre Lords, brachten ihnen Speere und Schilde, führten die Schlachtrösser auf das Feld hinter unseren Schlachtreihen, wo auch die Lastpferde schon festgemacht waren. Die Schlacht, die wir vor uns hatten, würde gewiss kein Sturmlauf sein, sondern ein unerbittlicher Kampf Mann gegen Mann, Schildbuckel gegen Schildbuckel, ein Kampf auf Biegen und Brechen. An diesem Tag würden nicht Schwerter die Entscheidung bringen, sondern Spieße und Messer.
»Kommt mit«, sagte ich zu den Zwillingen. Gerade gingen ein paar stämmige Männer mit Speerbündeln unter dem Arm an uns vorbei. »Und ihr auch«, wies ich sie an.
Für das, was ich vorhatte, benötigte ich kräftige Arme. Deshalb bedeutete ich Pons, Turold und Serlo, dass sie sich uns ebenfalls anschließen sollten.
»Seht ihr da drüben die Karren, die der Feind hier stehen gelassen hat? Ich möchte, dass wir sie so auf die Seite kippen, dass sie die Lücken dort in der Mauer versperren.«
Die Mauer fing auf Höhe unseres rechten Flügels an, wo das Gelände trocken und eben war, und endete, wo früher einmal der Mühlteich gewesen war. Sie war im Großen und Ganzen bloß hüfthoch, erreichte stellenweise aber auch Brusthöhe und war alles andere als ein unüberwindliches Hindernis. Trotzdem hoffte ich, dass sie – durch
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