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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Brückenkopf! Wir halten! Wir halten!«
    Er rannte weiter … den Kopf nach vorn, die zerfetzte Brust vorwärtsstoßend, schreiend und kommandierend.
    Kunze schwankte. Er umklammerte den Arm Leskaus und riß ihn zu sich herum.
    »Mach Schluß, Fritz«, keuchte er. »Komm, erschieß mich. Ich halte das nicht mehr aus! Erschieß du mich – nur nicht die Russen … laß nicht die Russen kommen.«
    »Weiter!« Leskau riß sich los. »Für diesen Blödsinn ist immer noch Zeit!«
    »Wir kommen nicht durch, Fritz! Überall ist der Russe! Es ist aus!«
    »Halt keine Volksreden – lauf, du Saukerl!« Er trat den wimmernden Kunze in den Hintern und rannte weiter. Wie die Hasen liefen sie, hinein in die Sümpfe und auf den bekannten Pfaden zurück nach Westen.
    Nach zehn Minuten blieb Kunze zurück. Er konnte nicht mehr. Der Atem setzte aus, die Lunge zersprang, das Herz drückte gegen den Kehlkopf. Er schwankte, fiel auf den glitschigen Boden, kroch auf allen vieren weiter und lag dann, zu Tode erschöpft, neben dem Pfad in einer Wasserlache. Die Schritte Leskaus entfernten sich. Kunze hatte nicht einmal mehr die Kraft zu rufen. Er lag auf dem Rücken und starrte in den blauen Sommerhimmel. Lämmchenwolken zogen weiß und leicht wie Federn über ihm hin.
    So lag er ein paar Minuten, nach Luft ringend, eine dicke Masse Mensch, die sich aufgegeben hatte. Als er das Schlagen seines Herzens wieder spürte und die Lungen wieder atmeten, richtete er sich auf und sah schaudernd fünf Meter seitlich von sich einen russischen Soldaten durch den Sumpf gehen. Er war auf gleicher Höhe mit ihm … er konnte das Profil des Gesichtes erkennen … ein breites, gelbes, knochiges Gesicht. Ein Tatar, ein Mongole oder Kirgise. Sein runder Stahlhelm blinkte schwach in der Sonne.
    Von der Rollbahn her donnerten Geschütze. Deutsche Flak war aufgefahren und hieb im Direktbeschuß in die anrollenden Panzer hinein.
    Der Kirgise blieb stehen. Er drehte lauschend den Kopf zur Straße. In diesem Augenblick hob Kunze die Pistole, zielte kurz und schoß. Die dünne Detonation ging unter im Inferno der Granateinschläge und der Explosion des vordersten der T 34.
    Lautlos sank der Russe zu Boden. Keuchend sprang Kunze über das Schilf zu ihm hin. Als er sah, daß sich der Kirgise noch bewegte, schoß er noch einmal, in den Nacken. Da streckte sich der Körper.
    Mit zitternden Händen zog Kunze den Toten aus. Er drehte den schweren Körper hin und her, nahm die Hose und das Hemd, die Jacke und den Helm, warf seine eigene Uniform in den Sumpf und zog die russische Montur an. Sie war etwas knapp, aber der Helm paßte. Wo die Hose am Bund offenstand, ließ er die weite Sommerbluse des Russen überfallen. Dann nahm er die Maschinenpistole mit dem runden Magazin, rollte den Körper neben seiner deutschen Uniform in den Sumpf und ging den Weg weiter, den Leskau zurückgelaufen war.
    Links und rechts von sich sah er die sowjetische Infanterie die verlassenen deutschen Stellungen durchkämmen. Auf einem Pfad, der zwanzig Meter neben dem seinen herlief, gingen etwa vierzig deutsche Gefangene zurück, bewacht von drei grinsenden Mongolen. Kunze winkte ihnen zu, er machte eine Faust und hob sie empor. Die Mongolen schrien.
    »Pabjäda!« schrien sie (Sieg!). »Pabjäda!«
    Kunze verstärkte die Geschwindigkeit. Nur weg! Nur weg! Er rannte den Weg zum Hauptverbandplatz, in der Hoffnung, irgendwo auf Splitter der Kompanie zu stoßen, auf Faber, auf Schneider, wenn es sein mußte, auch auf Vogel … Der Trick mit der russischen Uniform war gut … so war Strakuweit von Dubrassna durchgebrochen bis zum Dnjepr … so würde auch Kunze wieder die deutschen Linien erreichen.
    In einem Waldstück verbarg er sich und wartete die Nacht ab. Die Panzer auf der Rollbahn und die sowjetische Infanterie seitlich der Straße waren nicht weiter vorgestoßen. Nachdem die deutsche Flak vier T 34 abgeschossen hatte, wurde der Vorstoß abgeblasen. Major Grischa Naretkin meldete es seinem General. Tagesziel erreicht. Eine Lücke von 10 km in der deutschen Front. Wir brauchen schwere Waffen, um nachzustoßen. Es wird ein Spaziergang sein … es gibt keine deutsche Linie mehr. Das Wunder des deutschen Soldaten ist zerstört. Es gibt in unserer Zeit keine Wunder mehr …
    Östlich des Hauptverbandplatzes, den Stabsarzt Dr. Wensky räumte, indem er die Schwerverwundeten in Sankas abfahren ließ und den leichter Verletzten ein Gewehr in die Hand drückte, hatte sich das 3. Bataillon Major

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