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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herr Major«, sagte Leutnant Vogel, als man den Tod meldete. »Er fühlte sich schuldig. Es macht einen doch immer wieder stolz, wenn man sieht, daß auch solche Leute eine soldatische Ehre haben und aufrecht zu sterben verstehen.«
    Major Schneider antwortete darauf nichts.
    Er sah Leutnant Vogel nur an.
    Und Vogel senkte den Blick und wandte den Kopf zur Seite …
    Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: 19. Juli 1944
    … Im Osten dauert die große Abwehrschlacht auf der gesamten Front zwischen Galizien und dem Peipussee an.
    20. Juli 1944
    Im Mittelabschnitt dauern nördlich Brest heftige Kämpfe an. Im Raum von Grodno auf das Westufer des Njemens übergesetzte sowjetische Kampfgruppen wurden in Gegenangriffen zurückgeworfen.
    Die Schlacht um Rußland war verloren.
    Minsk war gefallen … sowjetische Panzer hatten die von Hitler zur Festung erklärten Stadtteile einfach durchrollt. An den Straßenrändern standen die Frauen und Mädchen, die Greise und Kinder, und winkten und warfen Blumen auf die donnernden Panzer. Aus den Fenstern und über den Trümmern flatterten rot gefärbte Bettücher, wehten verborgene Fahnen, schossen aus den Kellern gekrochene Partisanen mit ihren Waffen Freudenschüsse in den Sommerhimmel. Auf dem Marktplatz von Minsk, vor dem riesigen Gebäude der Kommunistischen Partei Rußlands, tanzten Mädchen in Volkstrachten und gaben sich in Kellern und Mauerecken den siegreichen Brüdern aus dem Osten hin. Ein Jubel lag über dem Land, wie ihn Rußland noch nie gehört hatte … die Menschen sangen sogar, wenn sie auf großen Karren die deutschen Gefallenen zusammenscharrten und sie außerhalb der Stadt in eine riesige Grube schütteten, so wie man zerbrochenes Geschirr oder Müll ablädt.
    Über Minsk hinaus strömten die unaufhaltsamen russischen Divisionen. Die Rollbahn wurde aufgegeben … auf breiter Front alles niederwalzend, die riesigen Verluste nicht achtend, eine Apokalypse, die keine Phantasie eines Dichters je ersinnen könnte, strömten die russischen Armeen nach Westen.
    Molodetschno ging verloren … die völlig zerstörte Stadt Baranowitschi wurde unter großen Verlusten für die deutschen Truppen geräumt … immer weiter, immer schneller stießen die sowjetischen Panzer in die aufgerissene Mittelfront und jagten die deutschen ausgebluteten Truppen vor sich her.
    25 deutsche Divisionen waren entweder eingeschlossen oder vernichtet. Am 4. Juli bereits meldete die Heeresgruppe Mitte nach der Wolfsschanze zu Hitler: auf einer ca. 350 km breiten Durchbruchsfront stehen uns an sowjetischen Kräften gegenüber: 126 Schützen-Divisionen, 17 motorisierte Brigaden, 6 Kavallerie-Divisionen und 45 Panzer-Brigaden. Die eigene Stärke, um diese stählerne Walze auf 350 km Breite aufzuhalten: 8 – in Worten acht – schwache, ausgemergelte, verblutende, hungernde, müde und sterbende deutsche Divisionen.
    Acht Divisionen gegen 132 Divisionen und 62 Brigaden!
    Die Antwort Hitlers: Minsk, Wilna und Grodno sind wegen ihrer ›ungeheueren operativen Bedeutung bis zum letzten Atemzug‹ als feste Plätze zu halten!
    Weiter nichts. Bis zum letzten Atemzug!
    Acht Divisionen gegen einen Ozean von Waffen und Menschen.
    Generalfeldmarschall Model versuchte zu retten, was zu retten war … er wurde im Führerhauptquartier von Hitler zusammengebrüllt. Nach Wilna wurden Truppen verlegt, herausgezogen aus den acht Divisionen … sieben Infanterie-Bataillone und einige Batterien Artillerie.
    Eine Handvoll Menschen, die eine Lawine aufhalten sollten … bis zum letzten Atemzug.
    Sieben Bataillone gegen 100 Divisionen!
    Wahnsinn … alles, alles Wahnsinn!
    Wieder reiste Model in die Wolfsschanze. Er schlug die ›große Lösung‹ vor … die Zurücknahme der ganzen Heeresgruppe Nord hinter die Düna … Verkürzung der Front … dadurch Freiwerden neuer Kräfte für die Durchbruchstellen.
    Hitler warf ihn hinaus. Er befahl die Aufstellung neuer, schneller Divisionen aus den Heimatbeständen, aus Polizeieinheiten, Sicherungsbrigaden, selbst das Führer-Begleit-Bataillon wurde auf die Stärke einer Panzer-Grenadier-Brigade gebracht und in den Mittelabschnitt geworfen, in den Rücken der zerrissenen, aufgelösten und ohne Zusammenhalt operierenden 3. und 4. Panzer-Armee.
    Es war sinnlos. Am 13. Juli meldete Model lakonisch: Selbst wenn die versprochenen Truppen planmäßig eintreffen, stehen unseren 16 deutschen Divisionen dann immer noch 160 russische Divisionen gegenüber!
    Wahnsinn! Alles, alles

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