Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Wehrkraftzersetzung verurteilen.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn!« Heinrich sprang auf. Über sein übernächtigtes, fahles Gesicht zuckte es. »Man kann doch ein Mädchen nicht zwingen, sich von den Russen überrollen zu lassen!«
    »Was bedeutet ein Mädchen in diesem Krieg? Was bedeuten hundert oder tausend Deutsche, die man vergißt? Man rechnet heute in Divisionen.«
    »Aber ich nicht! Ich rechne mit einem Menschen – mit dir!« Er blickte auf Elsbeth hinunter, auf dieses von Tränen nasse und hilflose Gesicht. Welch eine Gemeinheit, dachte er. Er wußte, als sei es schon geschehen, daß man sie vergessen würde, daß es nie einen Befehl geben würde, der sie in Sicherheit brachte. Und er sah die Sowjets über Nasielsk schwemmen und Elsbeth untergehen in dem Strudel von Qual und Schändung. »Es wird nie geschehen«, sagte er leise. »Nie! Nie! Wir werden dich wegbringen, wenn der Russe weiter durchbricht.«
    »Wegbringen? Wie denn?« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt doch keinen Weg! Man wird mir keine Fahrkarte geben, man wird mich aus den Zügen herausholen …«
    »Du wirst mit einem Lazarettzug herauskommen …«
    »Mit einem …« Sie sah Heinrich ungläubig an. Aber in ihren verweinten Augen quoll eine vage Hoffnung auf. »Das ist doch unmöglich, Walter …«
    »Ich werde mit dem Chef sprechen. Es muß einfach möglich gemacht werden. Wir werden dir eine Schwesterntracht besorgen.«
    Über Elsbeth Holzers Gesicht zog ein müdes Lächeln. Fast war sie versucht, ihre Hand zu heben und Walter über das verkniffene Gesicht zu streicheln, so wie man ein Kind beruhigt, das in einem bösen Traum aufschrie und erwachend sich in der wirklichen Welt noch nicht zurechtfindet.
    »Du bist ein Phantast, Walter.«
    Vor das Lazarett rollten neue Kraftwagen. Das Stöhnen, das aus ihnen hervordrang, erfüllte die ganze Umgebung. Stabsarzt Dr. Seidel erschien in der Tür und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sein weißer Kittel war blutbespritzt, die Ärmel hatte er emporgerollt. Wie ein Schlachter, durchfuhr es Elsbeth.
    »Heinrich!« schrie Dr. Seidel über den Platz. »Wo bleiben Sie? Hier sind vierzig Verwundete, die nicht poussieren können wie Sie!«
    Elsbeth Holzer senkte den Kopf. »Geh, Walter«, sagte sie matt.
    »Ich lasse dich jetzt nicht allein.«
    »Ich gehe zu Rehmdes. Dort bleibe ich.«
    »Ich werde mit dem Chef sprechen.«
    Sie schüttelte müde den Kopf. »Es hat doch keinen Sinn, Walter. Vielleicht machen wir uns viel zu sehr Sorgen.« Sie blickte Heinrich an und zwang sich, tapfer zu sein und sogar zu lächeln. »Vielleicht sehen wir alles zu schwarz. Vielleicht können wir die Front tatsächlich halten und den Russen auffangen.« Sie legte die Hand auf seinen Arm und spürte, wie er innerlich zitterte. »Ein klein wenig Hoffnung bleibt uns doch noch. Vielleicht sind sie weniger vergeßlich, als wir glauben, und ich erhalte meinen Marschbefehl zurück in die Heimat. Dann sehen wir uns eines Tages in Dortmund wieder, Walter …«
    Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Stumm sahen sie, eng umschlungen, über das sommerliche Land. Der Wald von Sczynno flimmerte in der Sonne … ein Bussard zog weite Kreise … auf den Feldern der Rehmdes arbeiteten polnische Landarbeiter. Die bunten Kopftücher der Frauen leuchteten weit. Farbkleckse in der Weite der Äcker.
    »Heinrich!« brüllte die Stimme Dr. Seidels. Unteroffizier Heinrich schreckte auf. Er umklammerte die Schulter Elsbeths, als wollte er sie nicht wieder loslassen. Seine Nägel drangen durch den dünnen Stoff des Sommerkleides in ihr Fleisch.
    »Geh, Walter«, sagte sie leise. »Verärgere dir deine Vorgesetzten nicht.«
    »Ich schaffe dich nach Deutschland«, sagte er fest. Er stand von der Benzintonne auf und küßte sie auf die emporgehobenen Lippen. »Und wenn ich mit dir als Fahnenflüchtiger zu Fuß durch Polen schleiche … ich lasse dich nicht in russische Hände fallen. Nicht lebend, Elsbeth …«
    Sie schauderte bei dem ›nicht lebend‹ zusammen und wußte, was er meinte.
    »Ich würde auch nicht mehr leben ohne dich …«
    »Elsbeth …«
    »Geh jetzt, Walter.«
    »Ich bin heute abend bei Rehmdes.«
    »Ich werde auf dich warten.«
    »Unteroffizier Heinrich!« brüllte Dr. Seidel.
    »Hier, Herr Stabsarzt.« Heinrich sah Elsbeth noch einmal an. »Hab' keine Angst, Kleines«, sagte er leise. »Solange ich hier bin, sollst du dich nicht fürchten.«
    Sie lächelte. »Ich werde tapfer sein, Walter. Ganz

Weitere Kostenlose Bücher