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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war er überhaupt dagegen, mehr Zeugen seines heldenhaften Absetzens von den Russen großzuziehen, als bereits vorhanden waren. Schon die beiden Leute seines Trosses, die den Sack schleppend ihm nachkeuchten, wünschte er zum Teufel. Am liebsten wäre es ihm gewesen, ganz allein mit Tamara in die Wildnis zu gehen und sich überrollen zu lassen. Einfach liegenbleiben, um dann nach einigen Wochen irgendwo in der Kleidung eines russischen Bauern aufzutauchen und mitzuhelfen, einen Bauernhof wieder aufzubauen.
    Er malte sich dieses Leben in der Stille mit honigsüßen Farben aus … der Bauer Kunzew mit seiner Frau Tamara Kunzewa, irgendwo auf einer Klitsche in der Weite des Landes. Am Tage die gesunde Luft und das kräftige Essen, und am Abend im Bett die noch gesündere Tamara mit ihren prallen Schenkeln und den spitzen Brüsten, die so groß waren, daß er zwei Hände brauchte, um sie zu umfassen.
    Kunze brach bei diesen Gedanken immer in Schweiß aus, tastete nach Tamara und verfluchte die Gegenwart der beiden Troßleute, die vor, neben oder hinter ihm marschierten.
    Ich werde sie los, dachte er. Ich schicke sie einfach auf Spähtrupp und verschwinde mit Tamara. Das ist der einfachste Weg.
    So ähnlich hatte er es mit den versprengten Soldaten in der ersten Nacht gemacht, die sie im Wald trafen wie verstörte Hasen. Artilleristen, ein paar Panzerschützen, drei Fahrer, denen man die Wagen unter dem Hintern wegschoß. Kunze suchte mit ihnen ein Nachtquartier und schlich sich gegen Morgen einfach mit Tamara weg. Seine beiden Troßleute nahm er mit – was er heute verfluchte –, weil er zu faul war, den Sack zu tragen.
    »Ihr lahmen Ärsche!« sagte er deshalb in dieser Nacht und ließ die beiden Troßleute strammstehen. Auch ein Rückzug verroht nicht die Haltung, und Kunze besaß eine fast perverse Fertigkeit darin, den armen beiden schwitzenden Landsern diesen Rückzug so sauer wie möglich zu machen. »Ihr legt jetzt den Sack hin und geht mal nach vorn! Ich muß wissen, ob seitlich von uns zur Rollbahn hin Russen im Wald sind! Noch besser wären deutsche Truppen!« Das wäre Mist, dachte er, aber er bezwang sich, sein Unwollen in Haltung oder Sprache deutlich werden zu lassen. »Wenn ihr auf deutsche Truppen trefft, holt ihr uns sofort … bei den Russen paßt auf, welchen Weg sie nehmen. Wir ziehen dann pamarell neben her.«
    »Parallel«, sagte einer der Troßleute mild. Er hatte das Einjährige und wollte Drogist werden.
    Kunze sah weg. Dusseliger Hund, dachte er. Ob pamarell oder parallel, das ist für dich Scheiße. Mich siehst du nicht wieder. Und dich sieht auch keiner wieder. Was hilft dir dein Einjähriges, wenn du irgendwo im Wald verhungerst?
    »Haut schon ab!« sagte Kunze unwillig. Er konnte nicht in gewohnter Art brüllen, um nicht ihr Versteck zu verraten.
    In diesem Augenblick hob Tamara, die still neben ihm gesessen und die Arme um ihre starken Beine geschlungen hatte, die Hand. Den Rock hatte sie tief heruntergezogen, denn sie trug keinen Schlüpfer. Das war das erste gewesen, was Kunze ihr schon in Dubrassna beigebracht hatte, und jeden Morgen hatte er ihr den Rock hochgehoben, um zu kontrollieren, ob sie auch nicht wider seinen Befehl handelte.
    »Stoj!« sagte Tamara leise.
    Kunze sah sie verblüfft an.
    »Was ist'n?«
    »Tamara gehen.«
    »Quatsch!« Er winkte den beiden Landsern zu. »Haut ab, Jungs.«
    Tamara erhob sich und strich sich den Rock glatt. Es war ein dünner Leinenstoff. Er schmiegte sich um ihre runden Hüften und zeichnete deutlich die Wölbung des Bauches ab. Unter Kunzes Hirnschale begann es zu prickeln.
    »Isch gehen. Isch känne Ijeß (Wald).«
    »Die beiden gehen!« sagte Kunze. Seine Stimme war rauh und belegt.
    »Njet. Tamara gäht. Viel Weeg nach Dnjepr. Bäste Weeeg Tamara findenn.«
    »Du bleibst.« Kunze sah auf die beiden Landser, welche zögerten. »Was steht ihr herum, ihr Feiglinge? Soll eine arme schwache Frau zu den Russen gehen?«
    »Sie ist doch Russin«, sagte der Einjährige.
    »Haut ab!« zischte Kunze.
    »Sie kennt den Wald besser als wir. Es ist bestimmt das beste, Tamara geht und erkundet den Weg.«
    Kunze tastete nach seiner 08. Ich schieße sie um, durchfuhr es ihn. Mordlust flackerte in ihm auf, eine wilde Gier, alles zu töten, was um ihn war und noch kommen würde … nur Tamara und er … so sollte die Welt aussehen.
    »Isch gähe.«
    Kunze hielt Tamara am Arm fest. Er umklammerte ihn und riß Tamara, die schon zwei Schritte getan hatte, zu sich

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