Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
er wußte, daß die Männer um ihn herum einen Eid auf ihn geleistet hatten …
    Der schwere Geländewagen ratterte durch die schwarze Nacht. Er ratterte genau auf die Gruppe des Majors Schneider zu, die sich durch den Wald tastete und wie Strakuweit parallel zur Rollbahn nach Westen zog.
    Leutnant Vogel war der erste, der etwas hörte. Er lauschte nach hinten und vernahm ein Kettenrasseln und das Gestöhne eines schweren Motors. Er hielt Dr. Wensky an und zeigte nach rückwärts.
    »Hören Sie, Doktor!«
    Stabsarzt Dr. Wensky verhielt den Schritt. »Es kann von der Rollbahn kommen. In der Nacht vermischen sich die Geräusche. Es ist schwer, die Richtung zu bestimmen.«
    »Es kommt von hinten auf uns zu. Ich höre es deutlich. Es muß ein Panzer sein.«
    »Der fehlt uns jetzt noch.«
    Ein Melder wurde losgejagt, Major Schneider zu holen. Als er bei der Hauptgruppe eintraf, war die Lage bereits klar. Die Gruppe lag verstreut im dichten Wald in Deckung. Das Motorengeräusch war ganz deutlich … durch den Wald bohrte sich – noch schwach, aber deutlich erkennbar in der Schwärze der Nacht – der Widerschein eines starken Scheinwerfers.
    Vogel zitterte, als Major Schneider neben ihm niederfiel und auf die Schneise sah, die vor ihnen durch den Wald zog und den Holzfällern als Abschleppstraße für die dicken Stämme diente. Kilometerlang war sie durch die Wälder geschlagen worden, eine jener Energieleistungen der Russen, die nicht nach Opfern fragt, sondern nur nach dem Endziel: Eine Straße durch den Wald!
    »Kein Panzer«, sagte Major Schneider. »Die T 34 haben keine Scheinwerfer. Das wäre ja auch Blödsinn. Es muß ein Wagen sein. Vielleicht eine Selbstfahrlafette mit einem schweren Geschütz. Lassen wir es vorbei.«
    Sie lagen seitlich der breiten Schneise und warteten stumm und im Schutze des Unterholzes auf den feindlichen Wagen. Major Willi Schneider hatte sogar den stillen Gedanken, mit zwei oder drei geballten Ladungen noch eine Heldentat zu vollbringen und das Gefährt in die Luft zu jagen … aber dann gab er diesen schönen Gedanken doch auf durch die Überlegung, daß der Feuerzauber schnell andere Truppen von der Rollbahn weg in den Wald locken konnte und somit der ganze Durchbruch gefährdet war.
    Hinter dem Steuerrad saßen die ›Russen‹ Strakuweit und Krahn und starrten vor sich auf die von dem Scheinwerfer grell erleuchtete Schneise. Leskau stand hinter dem MG 42, während Oberleutnant Faber seine Karte studierte und feststellte, daß sie bei diesem Tempo gegen Morgen den Dnjepr erreichen mußten. Dann begann das schwerste Stück des Durchbruchs … das Übersetzen über den breiten Fluß. Von allen Seiten strömten versprengte Trupps durch das Land, Artilleristen, die ihre Geschütze gesprengt hatten, Panzerfahrer, die ihre Tiger ohne Sprit zurücklassen mußten, Infanteristen, Nachschubmänner, Stäbe, Funker, Panzerschützen, Flakkanoniere … und sie alle strebten dem Dnjepr zu, dem Fluß, der eine neue deutsche Linie bilden sollte, an dem der vorstürmende Russe sich festlaufen sollte, bis weiter hinten, nach Borissow zu und tief gestaffelt bis Minsk, sich eine neue, stabile deutsche Front zusammenfinden konnte.
    Es waren Utopien. Denn mit dem Beginn der sowjetischen Offensive begann auch die große Offensive der Partisanen in ganz Rußland. Aus den Wäldern und Sümpfen krochen sie hervor … von der Taiga bis zur Steppe … und sprengten die deutschen Nachschublager, vernichteten die jungen, unerfahrenen Ersatztruppen, zerstörten die wichtigste deutsche Nachschubader, die Bahnstrecke Minsk - Orscha, indem sie an fast dreißig Stellen die Schienen in die Luft jagten und mit gesprengten Güterzügen die Strecken blockierten … sie besetzten sogar zwischen Borissow und Orscha die Rollbahn mit einer kleinen, gut ausgerüsteten Armee von Waldläufern und wilden Sumpfbewohnern und fegten von der zwölf Meter breiten Straße alles herunter, was sich zeigte.
    Der Krieg war plötzlich überall! Nicht nur an der Front zwischen Witebsk und Bobruisk, nicht nur im Trommelfeuer auf Orscha und Mogilew, sondern Hunderte Kilometer tief im Rücken der müde, aber verzweifelt kämpfenden deutschen Truppen vollzog sich unaufhaltsam der Zusammenbruch der gesamten deutschen Ostfront.
    Es gab keine Gnade mehr, keine Menschlichkeit, kein Verzeihen … es gab nur noch Tod. Die Hölle war überall, wo sich eine deutsche Uniform zeigte … Kinder schossen aus Heuschobern, kleine, halbnackte Mädchen warfen

Weitere Kostenlose Bücher