Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zurück.
    »Nein!«
    »Ich finde Weeeg.«
    »Die beiden Idioten auch.«
    »Tamara besser findenn.«
    Der Einjährige grinste. »Laß sie gehen, Kunze«, sagte er so unmilitärisch, daß Kunze nach Atem rang. »Sie kommt wieder. Dafür tut sie's viel zu gern mit dir. Hat sich dran gewöhnt … ist besser als jeder Magnet.«
    Wortlos ließ Kunze den Arm Tamaras los. Bis in seine Mundhöhle hinein spürte er die blinde Wut … es war, als habe er Sauerteig im Mund quellen lassen. Ich bringe sie in der nächsten Nacht um, schwor er sich. Ich erwürge sie … einzeln, mit meinen dicken Händen, lautlos. Wo Millionen zum Mörder werden, kommt es auf diese beiden Morde gar nicht mehr an.
    Tamara verschwand in der Dunkelheit. Katzengleich, unhörbar … Kunze sah ihr nach, Sekunden nur, dann war die Schwärze des Waldes wieder eine Einheit. Er setzte sich unter einen Baum und streckte die müden Beine aus. Neben ihm knisterte Papier. Einer der beiden Troßleute aß Schoka-Cola.
    »Ruhe!« zischte Kunze. Das Rascheln verstummte.
    Sie lauschten in die stille Nacht. Fern rollte die russische Armee über die Rollbahn, in der Ferne wetterleuchtete der Himmel … Orscha. Aber um sie herum, in der Nähe, war geheimnisvolle Stille.
    Drei Kilometer nördlich, nach einer Stunde, wurde Tamara von einigen kräftigen Fäusten zu Boden gerissen. Plötzlich waren vor ihr vier Gestalten aus der Dunkelheit emporgeschnellt, und ehe sie schreien konnte oder um sich schlug, lag sie auf dem Waldboden, eine Gestalt hockte auf ihr und tastete sie ab.
    »Junge, Junge«, sagte eine leise Stimme. »Ein Weib!«
    »Was?«
    »Ein Weib!«
    »Wohl verrückt?«
    »Aber nein. Wo ich hinpacke, ist Brust.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde flammte eine Taschenlampe auf, beleuchtete Tamaras verzerrtes Gesicht, den Soldaten, der mit beiden Händen ihre Brüste umklammert hielt und verlosch.
    »Komm jetzt!« sagte Feldwebel Steigert. Er war der Führer des Voraustrupps von Major Schneider. »Das Weib muß sofort zu Major Schneider.«
    Als sie mit ihrer Beute bei Major Schneider ankamen … vorweg ein Landser, dann der Obergefreite Knebel mit einem zerknirschten Gesicht, dann Tamara mit Steigert und am Ende ein anderer Landser, als sie in den Schein des Truppentransportwagens kamen, schrie Strakuweit in hellem Entzücken auf.
    »Hoh! Die Tamara!«
    »Wer?« fragte Major Schneider. Er musterte das etwas in Unordnung geratene Mädchen mit den zerzausten Haaren, dem verrutschten Rock und der zerrissenen Bluse, aus der der obere Ansatz der Brust hervorquoll. Gleichzeitig schielte er zu Feldwebel Steigert. Der wurde rot.
    »Nichts, Herr Major. Ich habe aufgepaßt.«
    »Wer ist Tamara?« Schneider sah zu Strakuweit empor, der hinter dem großen Steuerrad hockte.
    »Die Spezialmatratze von Hauptfeldwebel Kunze, Marke Brustweich.«
    »Strakuweit«, rief Oberleutnant Faber warnend.
    Leutnant Vogel schoß hinter dem Wagen hervor. Er hatte ein wenig im Stehen geschlafen, denn auch er mußte gehen, und zwar in dem Tempo, das Strakuweit mit seinem Wagen angab. Ein mörderisches Tempo … ein Wettlauf mit der Zeit und dem Tod. Als er im Halbschlaf den Namen Tamara hörte, wurde er hellwach. Er baute sich vor dem Mädchen auf und hob die Hand. Sein Kopf glühte.
    »Na, na«, sagte Major Schneider. »Warum denn, Vogel? Das Mädchen ist doch brav und tut Ihnen nichts.«
    »Sie hat die Moral der Truppe zerstört.«
    »Auch Ihre Moral?«
    »Herr Major …«
    »Na also! Aber denken Sie mal nach, Vogel: Wo diese Tamara ist, steckt auch unser Kunze. Und bei Kunze ist ein Teil der Verpflegung der 5. Kompanie.« Er wandte sich zu Faber um. »Es scheint so, Faber, als kämen wir doch noch vor dem Dnjepr zu unserem Standgericht.«
    Über Faber zog ein eiskalter Hauch. Kunze war ein Feigling, ein Schwein … aber er war ein Mensch. Nicht jeder ist ein Held, und nicht jeder ist überbelastet mit Skrupeln. Standgericht aber bedeutete: Tod!
    Major Schneider wandte sich zu Tamara.
    »Wo seid ihr?«
    »W ljesu.« (Im Wald.) In Tamaras Augen glomm Furcht auf.
    »Allein? Oder ist Kunze bei dir?«
    »Da (Ja).«
    »Und wer noch?«
    »Dwa (Zwei).«
    »Sieh an. Kunze mit zwei Mann und einer Frau auf dem Wege nach Deutschland!« Er winkte Steigert heran und einige Mann. Faber wandte sich ab und ging zum Wagen. So sehr er Kunze haßte und sein Tun verurteilte … es war für seine schöne, ideale Seele eine Qual, zu sehen, wie man einen Menschen abschrieb. »Sie holen mir den Vogel,

Weitere Kostenlose Bücher