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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augenblick blinkte das Licht aus der Baracke in die Nacht, als er hineinschlüpfte.
    Elsbeth saß am Kopf des sterbenden Jungen mit den blonden Haaren. Sie wusch ihm den Mund mit einem Gazelappen aus. Durch die vielfach um seinen Leib geschlungenen Verbände sickerte das Blut. Er stammelte in der Bewußtlosigkeit und griff mit den Händen unruhig um sich.
    Elsbeth sah kurz auf, als Heinrich an das Lager trat.
    Er nickte ihr zu, und sie senkte dankbar den Kopf.
    »Er hilft uns«, sagte er leise. »Du kannst dich auf ihn verlassen …«
    »Und du?« fragte sie kläglich.
    »Ich werde hierbleiben und mit dem Lazarett zurückgehen!«
    »Dann bleibe ich auch, Walter …«
    »Nicht weich werden, Elsbeth.« Er legte seine Hand auf ihre langen Haare und streichelte sie sanft. »In Dortmund sehen wir uns wieder. Es wird alles schneller gehen, als wir glauben. Es ist eine Lawine, die unaufhaltsam rollt. Vielleicht noch ein paar Monate … und dann haben wir ein ganzes Leben vor uns.«
    Sie nickte gehorsam, auch wenn sie nicht daran glaubte.
    Gegen Morgen starb der blonde Junge mit den Bauchschüssen.
    Zu Mittag des nächsten Tages kam von der Sanitätsstaffel ein Versetzungsbefehl.
    Der Unteroffizier Walter Heinrich wurde ab sofort zu einem Bataillonsarzt abkommandiert.
    An die Front.
    Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: 25. Juni 1944
    Im Osten stehen unsere Divisionen im gesamten mittleren Frontabschnitt im schweren Abwehrkampf gegen die mit starken Infanterie-, Panzer- und Luftstreitkräften geführte Offensive der Sowjets. Es gelang dem Feind nur östlich Mogilew, an der Smolensker Rollbahn und besonders im Raum von Witebsk, seine Einbrüche zu erweitern …
    27. Juni 1944
    Im Mittelabschnitt der Ostfront stehen unsere tapferen Divisionen in den Abschnitten von Bobruisk, Mogilew und Orscha in heftigem Abwehrkampf gegen die mit massierten Kräften angreifenden Sowjets. Westlich und südwestlich Witebsk kämpfen sie sich auf neue Stellungen zurück …
    Abgeschnitten von allen, eine Handvoll Menschen, schlich sich die Gruppe Schneider seitlich der Rollbahn allein durch die Wälder, dem Dnjepr zu.
    Über Orscha entlud sich die Bombenlast von Hunderten sowjetischen Kampfflugzeugen, trommelte die schwere Artillerie die Stadt in Grund und Boden, bildeten die Panzerdivisionen mit ihren Ungetümen T 34 einen weiten Kreis um die Trümmer.
    Der Dnjepr war bei Orscha erreicht … über die Düna bei Witebsk bauten die Russen Pionierbrücken … nördlich der riesigen Pripjet-Sümpfe, dem Reservoir einer intakten Partisanenarmee, bejubelten die Sowjets den trägen Flußlauf der Beresina. Bobruisk wurde eingeschlossen … Wo war noch eine deutsche Front, wo eine kampfkräftige Division?
    Brüderchen, Genosse … die Welt gehört uns!
    Der Generalstab in Molodetschno wurde zurückverlegt.
    Bleich stand der General noch an seinem Kartentisch, als Oberst v. Bennewitz das Zimmer betrat, um die letzten Kisten und Koffer verladen zu lassen.
    »Es wird Zeit, Herr General«, mahnte v. Bennewitz leise. Tiefes Mitleid mit dem einsamen, geschlagenen Mann schnürte ihm die Kehle zu. Er war ein Unschuldiger an dem riesigen Elend und würde doch einmal als der Schuldige hingestellt werden. Es gibt nichts Grausameres als die Geschichte.
    Der General nickte.
    »Räumen Sie ab.«
    Er stand, die Hände auf dem Rücken, daneben, als man den Kartentisch zusammenklappte, die Karten zusammenfaltete und wegtrug. Leer war der Raum … grenzenlos leer. Wie alles um ihn. Oberst v. Bennewitz trat an ihn heran.
    »Der Wagen steht bereit, Herr General.«
    Der General sah auf. Er zwang sich, forsch zu blicken, aber es war nur ein trauriges Aufflackern der Augen.
    »Nachricht vom Führerhauptquartier?«
    »Zwei Divisionen Ersatz sind unterwegs über Byalistok.«
    »Zwei Divisionen!« Es war wie ein Schrei. »Was soll ich mit zwei Divisionen, Bennewitz? Ich setze sie bei Mogilew ein und der Russe bricht bei Witebsk durch! Wo sind die versprochenen Kampfreserven?«
    »Im Süden! Der Führer nahm an, daß die Offensive bei der Heeresgruppe Süd einsetzen würde.«
    »Und warum wirft er sie jetzt nicht zur Mitte? Er sieht doch endlich, wo der Feind steht! Warum schweigt er denn, der Irre auf der Wolfsschanze?«
    »Weil er keine Transportmittel hat.« Von Bennewitz reichte dem General seinen Mantel mit den roten Aufschlägen und den dicken, goldenen geflochtenen Schulterstücken. »Wir müßten sie zu Fuß quer durch Rußland in die Mitte werfen. Damit würden

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