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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entgegenstarrte.
    »Da ist sie!« schrie Vogel noch einmal. »Die Spionin! Die Verräterin! Die Mörderin unserer Kameraden!« Er sah das eingebrannte Hakenkreuz auf ihrer Stirn, den kahlgeschorenen Schädel. Mit dem Lauf der Pistole zeigte er auf ihren Kopf. »Da ist der Beweis!« schrie er grell. »Sie war bei den Partisanen! Sie hat uns verraten! Du Hure verdammte!«
    »Vogel!« brüllte Major Schneider warnend. Strakuweit stürzte vor … er machte einen Satz wie ein anspringender Tiger, mit seinem ganzen Gewicht warf er sich auf Leutnant Vogel.
    Doch bevor er ihn erreichte, bellte der Schuß schon auf.
    Zwischen Tamaras verwunderten, großen Augen entstand ein kleines rotes Loch, genau über der Nasenwurzel, einen Zentimeter unter dem eingebrannten Hakenkreuz.
    Ein Meisterschuß. Schon im Offizierslehrgang war Vogel der beste Schütze.
    Tamaras letzter Blick war voll Erstaunen und Nichtbegreifen. Er tastete sich zu Strakuweit, der gegen Vogel prallte und ihn mit einem Schrei zu Boden riß. Dann sank sie in sich zusammen und fiel in die Arme Fabers. Dort starb sie mit einem Kopfschütteln, als wollte sie die kleine Kugel aus ihrem Kopf wegschleudern.
    Drei Soldaten rissen Strakuweit von Vogel weg. Mit hervorquellenden Augen, Schaum vor dem Mund schrie er unverständliche Worte und zerrte an den Armen der ihn Festhaltenden.
    »Loslassen«, brüllte er. »Loslassen! Ich bringe ihn um! Ich bringe ihn um! Mörder! Mörder! Laßt mich doch los!«
    Bleich stand Major Schneider vor dem sich erhebenden Leutnant Vogel. Er hielt noch immer die 08 umklammert, aus seiner Nase, die der erste Schlag Strakuweits traf, rann ein dünner Faden Blut.
    »Jetzt sind Sie stolz!« sagte Major Schneider mühsam. »Jetzt fühlen Sie sich als Held, was? Sie erbärmlicher Feigling.«
    Vogels Hand mit der Pistole zitterte. »Herr Major«, sagte er mühsam. »Ich bin Offizier …«
    »Ein Scheißhaufen sind Sie!« brüllte Major Schneider. »Und ich bitte diesen Ausdruck bei Ihrer Beschwerde an den Divisionskommandeur wörtlich zu erwähnen! Ich verachte Sie nicht nur … mich ekelt vor Ihnen!«
    »Loslassen!« heulte Strakuweit. »Loslassen! Ich bringe ihn um …«
    Oberleutnant Faber legte den Leichnam Tamaras neben sich auf den Waldboden. Er deckte seine Jacke über ihr mißhandeltes Gesicht und wandte sich steif an Major Schneider.
    »Ich beantrage ein Standgericht gegen Leutnant Vogel, Herr Major!«
    Vogel erbleichte. Er steckte die Pistole in die Tasche und trat auf Faber zu. »Ich habe nur meine Pflicht als deutscher Offizier getan.«
    Oberleutnant Faber fuhr zu Major Schneider herum. Sein Gesicht war kantig und hatte die Jungenhaftigkeit verloren. So habe ich ihn noch nie gesehen, durchfuhr es Schneider.
    »Herr Major«, rief er. »Ich fühle mich tätlich angegriffen, wenn aus diesem Mund noch einmal das Wort Offizier fällt.«
    »Ich habe eine Verräterin bestraft!«
    »Loslassen!« brüllte Strakuweit und trat um sich. Leskau lehnte an einem Baum und betrachtete mit stumpfen Augen die widerliche Szene. Er war zu schwach, um etwas zu sagen oder zu unternehmen, er war zu gleichgültig, zu ausgelaugt. Sein Kopf brannte, der Wald drehte sich vor seinen flimmernden Augen, und er sah kaum Dr. Wensky, der auf ihn zutrat und zu ihm sagte:
    »Legen Sie sich hin, Leskau …«
    »Durch ihren Verrat sind dreißig unserer Kameraden gefallen!« schrie Vogel. »Wollen Sie dreißig Deutsche über diese russische Hure stellen, Faber?« Er bebte am ganzen Körper. »Unser Führer sagte …«
    »Leutnant Vogel!« Die Stimme Major Schneiders war kalt. Man fror in ihrem Klang und zog unwillkürlich die Schultern hoch. »Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, jenseits des Dnjepr Ihrem Führer diese Heldentat zu melden! Ich gebe Ihnen diese Möglichkeit. Aber dann …«, und seine Stimme schwoll an und überschüttete Vogel wie ein Orkan, »dann wird unser Offizierskorps unabhängig von Ihrer Weltanschauung darüber zu Gericht sitzen, was mit einem Schwein, wie Sie es sind, geschehen soll!«
    »Ich werde mich zu wehren wissen!« sagte Vogel frech.
    »Schlagt ihn tot, den Hund!« keuchte Strakuweit.
    »Gegen den Obergefreiten Strakuweit werde ich Tatbericht einreichen!« sagte Vogel kalt.
    In Faber zerriß etwas. Er wußte nicht, was es war … es fühlte sich wie eine Explosion an, die seinen Kopf von innen her zerriß. Es rauschte in seinen Ohren, durch seinen Körper floß es wie Lava, seine Augen brannten, als habe man Pfeffer in sie geworfen. Er senkte

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