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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schluchzen saß ihm noch im Hals und rüttelte seinen Körper.
    Blubbke schwieg. Er schaltete den Motor ein. Hier hilft kein Witz mehr, dachte er. Hier hält man am besten die Schnauze.
    In einer Staubwolke fuhren sie aus Nasielsk hinaus, hinüber nach Sczynno.
    Die Wälder … das Gut der Rehmdes … der Park, in dem er Elsbeth das erstemal küßte … der kleine Fischteich, an dem sie saßen und von dem Morgen sprachen, von einer gemeinsamen Zukunft … der Flugplatz mit dem Kasino, in dem sie tanzten … das Kornfeld, in dem sie, müde von der Liebe, lagen und in die Sonne sahen und auf die Wolken, die im Abendrot schwammen wie zartgefiederte, fremdartige Riesenvögel …
    »Fahren Sie schneller, Blubbke«, sagte Heinrich heiser und stieß den Obergefreiten in die Seite. »Sie schleichen ja.«
    »Ick fahre 90!«
    »Schneller!« schrie Heinrich.
    Und die Welt, die schöne, glückliche, friedliche Welt ging unter in einer Wolke aus Staub –
    Das war vor drei Tagen gewesen.
    Jetzt saß Heinrich bei der Sanitäts-Ersatzstaffel und hörte sich im Radio die Wehrmachtsberichte an. Unterarzt Dr. Reichert, der mit ihm auf der Stube lag, las in einer PK-Zeitung.
    »Wenn das so weitergeht, brauchen die uns gar nicht nach vorn zu schicken. Die kommen von vorn auf uns zu. Um Minsk heben sie schon Panzergräben aus und bauen neue Auffangstellungen. Die armen Kerle, die von vorn kommen, wissen überhaupt nicht, was los ist. Der Russe ist überall, sagen sie. Wir laufen nur noch. Wenn wir in einem Dorf ankommen, wer ist schon da? Der Iwan! Es gibt überhaupt keine Front mehr.«
    »Es geht zu Ende.« Heinrich drehte das Radio ab. Er trat an das Fenster der Baracke und sah hinaus auf den Hof, den das Barackenlager bildete. Dort stand Blubbke und hielt einigen Sanitätskameraden einen Vortrag. Sie quietschten vor Lachen. Was ist der Unterschied zwischen einem Mädchenschenkel und einer Gasmaske …
    »Es fängt erst an«, sagte hinter Heinrich der Unterarzt Reichert. Er legte die PK-Zeitung weg. Durchhalte-Parolen, ein Führerspruch …
    Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: 28. Juni 1944
    Im Mittelabschnitt der Ostfront dauern die erbitterten Kämpfe im Raum Bobruisk und Mogilew an. Nach Räumung der Städte Orscha und Witebsk hat sich die schwere Abwehrschlacht in den Raum östlich der mittleren und oberen Beresina verlagert …
    29. Juni 1944
    Im Mittelabschnitt der Ostfront gewannen die Sowjets im Verlauf der erbitterten Abwehrschlacht an einigen Stellen weiter Raum …
    30. Juni 1944
    … In der Mitte der Ostfront wird weiter erbittert gekämpft … Bei Borissow und südwestlich Polozk kam es zu heftigen Kämpfen mit feindlichen Angriffstruppen …
    Bei Borissow kam die Gruppe Schneider in sogenannte normale Verhältnisse.
    Sie wurde aufgefangen, weitergeleitet und zunächst zum Stab der 26. ID. geschafft. Der Kommandeur der Infanterie-Division, Oberst Fromberger, begrüßte Major Schneider mit einem kräftigen Handschlag und der Ankündigung eines neuen Kommandos.
    »Das 3. Bataillon ist frei«, sagte er. »Es liegt vor Borissow und hat siebzig Prozent des Offizierskorps verloren. Herr Oberleutnant Faber kann die 9. Kompanie übernehmen. Nach den letzten Meldungen 62 Mann.« Er sah zu Faber hin, der den Arm in einer Schlinge trug. Es war keine Verwundung, über die man hier Worte verlor. Ein Bajonettstich … ein Kratzerchen. »Was machen wir mit Ihrem Adjutanten, Schneider?«
    »Den möchte ich behalten, Herr Oberst«, sagte Schneider schnell. »Wir haben uns so gut aufeinander eingearbeitet …«
    Leutnant Vogel wollte etwas sagen, aber der Blick Schneiders ließ ihn zurückzucken. Gut, dachte er. Schreiben wir es! Machen wir eine Meldung. Vergessen tue ich es nicht! Er hielt gewissenhaft Abstand von Oberleutnant Faber, als stänke dieser. Oberst Fromberger sah auf die kleine Gruppe und zu den Offizieren.
    »Noch Wünsche, meine Herren?«
    Faber nickte. »Ich möchte das, was von meiner alten Kompanie übriggeblieben ist, zur 9. Kompanie mitnehmen. Den Hauptfeldwebel Kunze, den Unteroffizier Leskau, den Obergefreiten Strakuweit, zwei Mann …«
    »Selbstverständlich.« Der Oberst winkte. »Es ist immer gut, wenn alte, bewährte Leute in der Kompanie sind. Ihre 9. besteht zu 80 Prozent aus jungem Ersatz.«
    Ein Adjutant kam in die Hütte. Der Oberst nahm einen Zettel entgegen und überflog ihn. Eine Zusammenfassung der Funkmeldungen von der Front. Sein Gesicht blieb unbewegt, als er den Zettel zur Seite auf den alten

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