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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verlauf der Front mit Fähnchen abzustecken, wie er es auf der Kriegsschule gelernt hatte. So schnell, wie sich die Front änderte, wie die deutschen Divisionen auseinanderbrachen, wie die Kilometer unter den Stahlraupen der T 34 Rokossowskis hinwegglitten, konnten die Fähnchen gar nicht gesteckt werden.
    »Die Panzerspitze bei Minsk konnte unter dem massierten Einsatz aller Waffen vernichtet und geworfen werden.« Die Stimme v. Bennewitz' war nüchtern und klar. Er war der Vortragende weiter nichts. Er hatte keine Entscheidungen zu fällen, er trug keine Verantwortung. Er sah nur den Zusammenbruch der Front, den Zusammenbruch des Generals, den Zusammenbruch des Volkes, und er wunderte sich, warum man nicht die Konsequenzen zog, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden.
    Er hob die zusammengefaßten Meldungen wieder in Augenhöhe. Das Rascheln des Papiers ließ den General aufblicken.
    »Bei Smolewitschi versteift sich unser Widerstand. Es ist aber mit der Aufgabe des Ortes im Laufe der nächsten 26 Stunden zu rechnen. Im Raume Baranowitschi sind Kommandotrupps der Roten Armee gesichtet worden, die die Partisanen unterstützen. Dort stehen unsere Bataillone in regelrechter Schlacht mit schätzungsweise zwei Divisionen bestausgerüsteter Partisanen. Die vier Bahnlinien, die sich in Baranowitschi kreuzen, sind nämlich an vielen Stellen gesprengt und fallen für den Nachschub aus. Die 4. und die 9. Armee melden, daß sie die Front weiter zurücknehmen, unter Umständen bis an die Grenze des Generalgouvernements …«
    »Polen heißt das Land«, sagte der General laut.
    »Die 3. Panzerarmee besteht nur noch aus Restgruppen, die keine Verbindung mehr zur 4. Armee besitzen. Sie kämpft sich südostwärts Polozk und südlich der Düna verzweifelt zurück. Zwischen ihr und der 4. Armee ist eine Lücke von 90 km aufgerissen, durch die die Russen beiderseits Senno hineinfluten, als sei ein Staudamm zerstört und die Wassermassen werden frei.«
    Generalfeldmarschall Busch, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, wurde am 28. Juni 1944 von Hitler abgelöst und in die Verbannung gejagt. Generalfeldmarschall Model, der Chef der Heeresgruppe Nordukraine, übernahm den Mittelabschnitt. Er schlug Hitler vor, die gesamte Heeresgruppe Nord zurückzunehmen, um die Front hinter der Düna zu stabilisieren und Kräfte für die Mitte der Front freizubekommen. Hitler warf ihn aus seiner Wolfsschanze hinaus … er brüllte und tobte.
    Oberst v. Bennewitz verlas mit leiser Stimme die Abberufung Feldmarschall Buschs und die Ernennung Models zum neuen Oberbefehlshaber Mitte. Der General nickte.
    »Das alte Lied, Bennewitz. Ein Sündenbock muß her … und wenn es der ist, der vor einem halben Jahr schon sagte, daß die russische Offensive in der Mitte stattfindet und nicht im Süden, wie der geniale Führer dachte.« Er erhob sich von seinem Klappstuhl und drehte den Rücken der Karte zu. »Was glauben Sie, Bennewitz, wie lange es dauert, bis man mich in den Hintern tritt?«
    »Herr General!«
    »Ich habe Orscha verloren. Ich habe Borissow aufgegeben. Und ich werde in zwei oder drei Tagen Molodetschno räumen lassen und die wichtige Bahnlinie Molodetschno - Minsk den Russen überlassen. Ich werde es müssen, denn ich habe keine Divisionen mehr, ich habe keine Verbindung zu Nebenarmeen, ich habe keinen Sprit für meine Panzer mehr, keine Granaten für meine Artillerie, keine Panzerfäuste und Fahrzeuge. Ich habe nur noch verwundete, arme, ausgelaugte, müde Landser, bedauernswerte Schweine, die sich abschlachten lassen, weil ich täglich befehle: Es muß gehalten werden. Es muß! Es muß! Ich hämmere es ihnen ein. Halten! Halten! Halten! Für Großdeutschland!« Der General sah Oberst v. Bennewitz aus weiten Augen an. »Wann, glauben Sie, wird man in der Wolfsschanze soweit sein, mich an die Wand zu stellen?«
    »Nie, Herr General. Nie!« Der Oberst warf die Meldungen auf den Kartentisch. Er trat einen Schritt vor und richtete sich steil auf. »Man müßte sonst alle töten … uns, den ganzen Stab! Wir stehen vor Ihnen, Herr General.«
    »Den ganzen Stab.« Der General lächelte schwach. »Mein lieber Bennewitz … als ob das für diesen Hitler eine Schwierigkeit wäre …«
    Zwischen Smolewitschi und Minsk, an der Rollbahn und auf der Rollbahn, ging kämpfend und sich verblutend das 3. Bataillon Major Schneiders zurück.
    Leskau und Kunze hatten den schwerverletzten Strakuweit aus den Sümpfen herausgebracht und beim Bataillon

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