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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er laut. »Besoffen?«
    »Dafür schlage ich dir die Zähne ein!« knirschte Leskau. »Ruf das Bataillon an!«
    »Man kann doch wohl mal fragen …«
    »Ruf an!« schrie Leskau. »Einen Wagen zum Sumpf.«
    »Die halten mich beim Bataillon für verrückt!« Kunze wollte noch etwas sagen, aber er schwieg, als er Strakuweits Gesicht sah.
    Im Bunkerraum stand noch immer der Gefreite am Tisch, als Kunze die Tür aufstieß und zum Hörer des Telefons griff. Er zögerte einen Augenblick, ehe er die Kurbel drehte, und sah den jungen Soldaten aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Es gibt Leute, die nichts hören und nichts sehen, und es gibt Pistolen, die gehen plötzlich von selbst los und machen ein kleines Loch im Gehirn. Wir haben uns verstanden, mein Junge?«
    »Ja, Herr Hauptfeld.« Der Gefreite erwiderte Kunzes Blick, als wolle er ihn anspucken oder vor ihm auskotzen. »Das ändert aber nichts daran, daß Sie in meinen Augen der erbärmlichste Kerl sind, den ich kenne.«
    »Schon gut.« Kunze lachte gemütlich und klopfte dem Gefreiten auf die Schulter. »Du bist noch jung und kennst nicht viel …« Er drehte an der Kurbel und meldete sich, als von drüben eine Stimme schnarrte. »Hier XN 9. Hatten soeben beim Troß Feindberührung. Im Sumpf … Jawoll. Ein Schwerverwundeter. Strakuweit. Bitten um Saniwagen. Jawoll. Ende.«
    Er legte den Hörer hin und wandte sich zu dem Gefreiten.
    »Der Major selbst«, sagte er zufrieden. »Weißt du, was er sagte: Brav, Kunze! Sie scheinen Ihre Bewährung zu bestehen! – So ist das, mein lieber Junge …« Er tätschelte dem jungen Gefreiten die schmale Wange, »… man wird zum Helden gemacht, weil heute Helden Mangelware sind …«
    Borissow fiel. Die Beresina-Sümpfe wurden geräumt. Shodin , Smolewitschi, Sutoki wurden aufgegeben. Wo die deutschen Truppen das Land zurückließen, gab es keine Straßen mehr, keine Bahnlinie, keine Gehöfte, keine Lager, keine Masten. Eine Säule von Sprengwolken zeigte den Rückzug der deutschen Armee an, eine verbrannte Erde war alles, was die 3. weißrussische Front unter General Tschernjakowski eroberte.
    Der Zusammenbruch der deutschen Front bei Bobruisk riß die Flanke der deutschen Stellungen auf. Hier stieß mit seiner 1. weißrussischen Front Marschall Rokossowski in die dünne Naht zwischen der 4. und 9. deutschen Armee, durchtrennte sie mit schnellen Panzerbrigaden, schwenkte im Rücken der 4. Armee auf Minsk und trieb die 9. Armee südlich Bobruisk vor sich her nach Sluzk, Stolpce und Baranowitschi.
    Als seine ersten Stalinpanzer den Njemen erreichten, wehten aus ihren Luken die roten Fahnen mit dem goldenen Stern. An der Beresina stand General Tschernjakowski und grüßte den Fluß wie eine heilige Fahne der Revolution – General Zakharow fuhr im offenen Panzer durch Mogilew und Beresino und nahm die Blumenberge in Empfang, die kleine Bauernjungen ihm zuwarfen. An der Rollbahn standen die Partisanen, ausgehungert, verdreckt, zerlumpt und winkten mit den Waffen. Die Mädchen tanzten auf den Straßen, und die Nachschub-Armisten der Roten Armee wurden noch nie so heiß geliebt wie in diesen Tagen, wo in jedem Heustapel und in jeder Scheune der Sieg über die Deutschen in einem rasenden Taumel gefeiert wurde.
    Im Süden von Minsk tauchten die ersten Panzerspitzen auf. T 34, Stalinpanzer, überschwere Kolosse mit riesigen Kanonen.
    Die Kanoniere an den deutschen Flaks froren in der Sommersonne bei diesem Anblick. Aber sie schossen, und die Ladekanoniere verbrannten sich die Hände an den heißen Verschlüssen.
    Mit Panzerfäusten stürzten sich die deutschen Landser auf die feuerspeienden Ungeheuer. Mit Hafthohlladungen zwischen den Fäusten sprangen sie die Ungetüme an, verbluteten unter den Schüssen der Nebenpanzer, aber sie umklammerten sterbend die Minen und gingen mit dem Panzer unter in einer schwarzen Explosionswolke.
    Minsk … das war das Ziel Rokossowskis. Minsk … das war nicht nur ein Name, eine Stadt, ein strategischer Punkt … das war vor allem ein moralischer Sieg! Mit Minsk mußte das Tor nach Deutschland aufreißen … mit dem Verlust der Rollbahn, die in Minsk begann, wurde der völlige Zusammenbruch der deutschen Rußlandfront offenbar. Wer Minsk besaß, besaß die Rollbahn, besaß den 12 Meter breiten Weg nach Moskau, den Weg in das Herz von Mütterchen Rußland.
    In seinem Stabsquartier bei Nowogrodek saß der General an der Karte und hörte sich den Vortrag von Oberst v. Bennewitz an. Er hatte es aufgegeben, den

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