Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
an!«
    »Das Bataillon. Der Chef …«
    »Feiger Hund!«
    Die vier marschierten durch die Dunkelheit davon. Kunze sah ihnen nach. Er lehnte am Eingang des Bunkers und umklammerte die Pistolentasche. Partisanen, dachte er. Im Sumpf. In unserem Rücken. Wir sind alle keinen Pfennig mehr wert. Aber er wagte nicht, wie in Dubrassna, seinen Verpflegungssack wieder zu packen und sich durch den Sumpf nach hinten in Sicherheit zu bringen. Es gab nur einen Weg zurück, und auf diesem wurde geschossen.
    Mit bleichem Gesicht und verstörten Augen lief er in der Kompanietroßstellung herum und lauschte hinaus in den Sumpf. Einen Gefreiten, der leicht verwundet von der HKL gekommen war, um sich hier beim Troß zu erholen, und der am Rande des Sumpfes stand und ein Geschäft verrichtete, brüllte er zusammen, weil der Gefreite sich im unklaren war, ob er seine Handlung unterbrechen und grüßen oder sie zu Ende führen und dann eine Ehrenbezeigung anbringen sollte.
    »Was stehen Sie hier herum?« schrie Kunze. Es tat ihm wohl, jemanden gefunden zu haben, der wie ein Ventil auf seinen inneren Überdruck wirkte. Schreien behebt die Angst …
    Der Gefreite entschloß sich, seine naturbefohlene Handlung doch zu unterbrechen, und drehte sich stramm herum.
    »Ich uriniere, Herr Hauptfeld.«
    »Was tun Sie Schwein?« brüllte Kunze.
    »Ich …«
    »Schnauze! Ein so junger Bengel, und dann solche Sauerei!« Er stockte. Vom Sumpf her hämmerte wieder der Feuerstoß einer Maschinenpistole. Der junge Gefreite knöpfte seine Hose zu.
    »Wo kommt denn das her?« fragte er verblüfft.
    »Aus einem Stall, Sie Idiot! Da scheißt eine Ziege auf ein Trommelfell!« Hauptfeldwebel Kunze krallte seine Finger um das Koppel. Es ist wirklich ein Überfall, durchzitterte es ihn. Sie greifen Leskau und Strakuweit an. Wie hatte Leskau vorhin gesagt: Nach dem Krieg sind wir die ärmsten Schweine. Nach dem Krieg … es würde kein Nachher mehr geben. Hier, in den Sümpfen der Beresina, würde der Krieg für sie zu Ende sein.
    »Mitkommen!« befahl Kunze dem Gefreiten.
    »Wohin?«
    »Mitkommen, Sie Selbstverstümmler!«
    Der Gefreite trottete dem Hauptfeldwebel nach. Kunze ging mit schnellen Schritten zu seinem Bunker und drehte sich erst in dem dunklen, dumpfen und niedrigen Raum nach dem jungen Soldaten um.
    »Haben Sie Kraft?«
    »Es kommt darauf an, Herr Hauptfeld.«
    »Was sind Sie von Beruf?«
    »Abiturient.«
    »Auch das noch!« Kunze schleifte seinen heimlichen Verpflegungssack aus der Ecke und stellte ihn vor den Gefreiten hin. »Sie bleiben hier bei diesem Sack stehen, Sie Träne, verstanden? Und wenn es nötig ist, werden wir zwei den Sack in Sicherheit bringen.« Kunze ging zur Tür, aber dort drehte er sich noch einmal um und sah den in der Dunkelheit hockenden Gefreiten an. »Sie haben Eltern?«
    »Ja. In Magdeburg.«
    »Ein Mädchen?«
    »Jugendliebe, Herr Hauptfeld.«
    »Sie wollen doch Ihre Eltern und das Mädel wiedersehen?«
    »Natürlich …«
    »Dann halten Sie die Schnauze über alles, was jetzt kommt. Ich bin gleich wieder zurück. Und dann tragen wir den Sack weg. Ab morgen sind wir Versprengte. Verstanden?«
    »Nein, Herr Hauptfeld.«
    Kunze winkte ab. »Ist auch nicht nötig. Dafür sind Sie ja Aburent.«
    »Abitu…«
    Kunze trat hinter sich die Tür zu. Latein kann er, Mathematik, Physik, vielleicht sogar Griechisch. Aber wie man sich absetzt und den eigenen Hintern rettet, das lernen sie nicht auf den Schulen. Was nutzt alles Latein, wenn man im Loch liegt und die Gruppe steht darum und singt: Ich hatt' einen Kameraden … Ich sage Aburent … aber ich rette meine Haut! Und ich pfeife auf alle Majore Schneider und auf alle Standgerichte, auf alle Bewährungen und alle Chancen des Heldentodes … Ich will leben, nach dem Krieg in Berlin wieder meine Molle trinken und ein anständiges, dralles Weib im Bett haben!
    Er stand in der Nacht und lauschte. Es war ihm, als hörte er Stimmen. Eine wilde Angst erfaßte ihn, daß es bereits zu spät sei und die Russen die Troßstellung umzingelt hätten.
    Er rannte in den Bunker zurück und traf den Gefreiten dabei an, wie dieser den Sack abtastete.
    »Der ist ja voller Verpflegung«, sagte er.
    Kunze riß den Sack empor und warf ihn über seine breite Schulter. »Glaubst du, ich schleppe Pferdeäpfel durch Rußland? Los, faß hinten an. Es geht ab …«
    »Wohin denn?«
    »An die Riviera, du Idiot!«
    Der Gefreite blieb am Tisch stehen. Über sein Gesicht zog der Ausdruck tiefster

Weitere Kostenlose Bücher