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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Der Sanitätsfeldwebel des Bataillons, ein junger Arzt, hatte nur mit den Schultern gezuckt, als er Strakuweit untersuchte. »Hier kann ich gar nichts machen!« hatte er gesagt, und Leutnant Vogel hatte sich dazu hinreißen lassen, ihn anzubrüllen: »Um dies zu sagen, mußten Sie zwölf Semester Medizin studieren? Das kann auch ein Steineklopfer sagen!«
    Das Telefon schellte. Leutnant Vogel riß den Hörer an sein Ohr.
    »Erna III.«
    »Hier Wensky.« Die Stimme des Stabsarztes war belegt. »Ihr Strakuweit ist hier. Er liegt schon auf dem Tisch.«
    Leutnant Vogels Hand zitterte. Er sah zu Major Schneider hinüber, über sein schmales Gesicht zog ein Schimmer, der es fast sympathisch machte.
    »Sie sind da«, sagte er glücklich.
    »Was reden Sie?« rief Dr. Wensky.
    »Ich sagte dem Herrn Major, daß sie da sind. Wie geht es ihnen?«
    »Schlecht, Vogel. Sehr schlecht. Aber ich bekomme den zähen Burschen durch.«
    Major Schneider war neben Vogel getreten und nahm ihm jetzt den Hörer ab. »Wensky?«
    »Herr Major?«
    »Schicken Sie mir sofort Leskau und Kunze zurück.«
    Am anderen Ende der Leitung war eine Sekunde Stille. Dann antwortete Dr. Wensky.
    »Herr Schneider, das kann ich nicht verantworten.«
    »Aber ich, Dr. Wensky!«
    »Die beiden sind am Ende. Ich habe sie ins Bett gelegt!«
    »Man gewinnt Kriege nicht im Bett, sondern im Graben!«
    Dr. Wenskys Stimme wurde lauter: »Sagten Sie gewinnen, Herr Schneider?«
    »Ja. Das sagte ich. Und ich wiederhole: Gewinnen!«
    »Gut. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Major.«
    »Bitte?«
    »Kommen Sie zu mir. Sie haben einen widerlichen Virus im Gehirn … ich möchte ihn Ihnen wegnehmen. Hinausklopfen, Herr Schneider.«
    Major Schneider lächelte vor sich hin. Alter Wensky, dachte er. Wie wir uns verstehen! Er schielte zu Vogel, der neben ihm saß und ihn anstarrte.
    »Ich brauche jetzt jeden Mann«, sagte er hart. »Lassen Sie Leskau und Kunze bei Ihnen liegen, wenn Sie heute nacht weiter nach Westen gehen. Ich komme im Laufe des frühen Morgens an. Wir setzen uns weiter ab. Wir brauchen uns jetzt nicht mehr die Leute nach vorn zu schicken … wir sammeln die Wartenden auf. Nehmen Sie auf keinen Fall Leskau und Kunze mit … Faber hat mit seinem jungen Ersatz die Nase voll. Die Kinder halten ihre Köpfe hin, als wären sie Zielscheiben. Er hat nur noch 19 Mann.«
    »Als Kompanie?« Die Stimme Dr. Wenskys war entsetzt.
    »Das haut Sie um, was? 19 Mann! So löst man heute auf elegante Weise Übervölkerungsprobleme. Wir werden nach dem Rummel in Deutschland Platz genug haben, und was Poincaré nicht erreichte, nämlich, daß 20 Millionen Deutsche zuviel auf der Welt sind, das schafft unser Führer mit einem artistischen Schnurrbartzittern. Gute Fahrt, Wensky.«
    Major Schneider legte den Hörer auf. Er sah auf Vogel hinunter und nickte mehrmals.
    »Haben Sie's gehört, Vogel? Toll, was? Da zuckt Ihr Hitlerjugendführer-Herz und empört sich die braune Galle. Soll ich Ihnen die Nummer der nächsten SD-Einheit geben?«
    Leutnant Vogel sprang auf. »Sie verkennen mich, Herr Major.«
    »Das wäre das erstemal, daß ich einen Minderwertigen nicht erkenne.«
    »Warum beschimpfen Sie mich dauernd und behalten mich doch?« Über Vogels asketisches Gesicht lief ein Zucken. Er ballte die Fäuste und drückte sie an die Hosennaht. »Sie behandeln mich nicht wie einen Offizier, sondern wie ein Stück Dreck. Ich habe bisher immer meine Pflicht getan.«
    »Das haben Sie, Vogel. Sie haben auf Ihren Lehrgängen die Idee des Führers wundervoll logisch und klar umrissen propagiert. Sie haben sogar – alle Achtung! – diese Idee im Einsatz realisiert. Sie haben die Leute an der Front noch geschliffen, getreu dem Leitsatz: zäh wie Leder, flink wie Windhunde, hart wie Kruppstahl. Sie haben Tamara erschossen, obwohl sie unschuldig war – aber der Führer sagte ja: Der Russe ist kein Mensch im üblichen Sinne. Man darf ihn ohne Gewissensbisse liquidieren. Sie haben Ihren Fahrer bei Dubrassna einfach im Feuer liegenlassen, obwohl Sie die Möglichkeit hatten, ihn zu retten! Aber auch hier triumphierte der Geist des Führers und des deutschen Soldatentums: Die Ehre des Heldentodes. Haben Sie es nicht am Grab gesagt? Er starb stolz für Großdeutschland. Und dabei hat der arme Kerl geschrien wie ein Tier.« Major Schneider winkte ab, als Vogel etwas einwerfen wollte. »Nein, nein, Vogel … Sie waren immer korrekt. Sie waren immer ein Musterbild. Sie sind aber – und das werfe ich Ihnen

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