Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
Vom Netzwerk:
Hart eingenommen hatte, McGoverns nationalem Wahlkampfmanager, der gerade einen Scheck über 40000 Dollar überreicht bekommen hatte, die bei einer von Beattys Fundraising-Veranstaltungen zusammengekommen waren.
    Die Spendenaktion hatte drüben in Lincoln stattgefunden, der Hauptstadt Nebraskas, sechzig Meilen westlich von Omaha, wo ungefähr 7500 freundliche Menschen im örtlichen Bürgerzentrum zu einem Konzert von Andy Williams und Henry Mancini erschienen waren … einer musikalischen Darbietung, die offenbar ihren Zweck erfüllte, denn 24 Stunden später lieferte Lincoln ein 2 : 1-Ergebnis für McGovern und ließ ihn die Hürde Nebraska nehmen.
    Mir leuchtet die Notwendigkeit derartiger Veranstaltungen ein, und als akkreditiertes Mitglied des nationalen Pressekorps weiß ich sehr wohl um die Verpflichtung, Ruhe zu bewahren und ab und zu zwei Stunden Andy Williams zu ertragen – zumal ich im Pressebus nach Lincoln mitgefahren war und ohnehin nicht wegkam, bevor das Konzert vorüber war. Langsam frage ich mich allerdings, wie lange ich das alles noch aushalte: Diesen endlosen Albtraum, der darin besteht, noch vor Sonnenaufgang aufzustehen, um dabei zu sein, wenn der Kandidat Arbeitern die Hand schüttelt, die ihre Frühschicht bei Bilbo Gear & Sprocket antreten … um ihm anschließend quer durch die Stadt zu einem weiteren Von-Mensch-zu-Mensch-Auftritt im städtischen Schlachthof zu folgen … dann zurück in den Bus und 45 Minuten lang durch dichtesten Verkehr hinter dem Kandidaten her, um ihn dabei zu beobachten, wie er in der ungemütlichen Souterrainkantine irgendeines Altenheimhochhauses mit den ziemlich uninteressierten Bewohnern zu Mittag isst und plaudert.
    Sowohl Humphrey wie McGovern haben im letzten halben Jahr derlei betrieben, und das ungefähr 18 Stunden täglich – und einer von ihnen wird es noch weitere fünf Monate lang bis November so treiben, 18 Stunden am Tag. Politprofis beteuern, dass dir nichts anderes übrig bleibt, wenn du gewählt werden willst: Geh hinaus und stell dich den Wählern dort, wo sie leben, schüttele ihnen die Hand, sieh ihnen direkt in die Augen und mach dich persönlich mit ihnen bekannt – eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
    Der einzige Kandidat, der dieses Jahr sämtliche Regeln aus dem Handbuch traditioneller Politik missachtet oder gar gebrochen hat, ist George Wallace. Er geht nicht an Fabriktore oder zum Kaffeeklatsch. Wallace tritt auf wie ein Bühnenkünstler und mischt sich nicht unters Volk. Er zelebriert seinen Wahlkampf wie ein Rockstar, stets gemäß der Theorie, dass eine einzige große Menschenmenge besser ist als vierzig kleine.
    Aber Scheiß auf all diese Theorien. Das hier ist so ungefähr die 13. Titelstory, die ich zu dem ganzen Schlamassel abgesondert habe, und sie werden zunehmend dämlicher … was jedoch im Moment eher schnurz ist, denn der verdammte Abgabetermin rückt näher, und es wird nicht lange dauern, bis das Mojo Wire wieder zu fiepen anfängt und die Telefone läuten und die Halunken da drüben in San Francisco jaulen, dass sie Stoff brauchen: Wörter! Einsichten! Blablabla!
    Hauptsache irgendwas! Die Druckerpressen laufen heute Mittag an – in drei Stunden –, und das Magazin ist druckfertig bis auf fünf leere Seiten in der Mitte. Die wichtigste Geschichte, die ganz große Reportage. Die Titelseite ist schon gedruckt, und laut Artikelliste, die in ungefähr drei Meter Entfernung von meiner Schreibmaschine auf dem Fußboden liegt, heißt die Hauptreportage dieser Ausgabe »George McGovern und das, wofür er steht – ein definitives Porträt«. Und geschrieben ist sie von mir. Steht da.
    Wenn ich hinsehe, packen mich die Schuldgefühle. In diesem Zimmer mieft es nach Scheitern. Alle 14 Tage schicken sie mir eine Artikelliste, aus der hervorgeht, dass ich sozusagen der Weisheit letzten Schluss zu einem wichtigen Thema in die Tasten haue – was durchaus stimmt, aber die geplanten Schreibprojekte entwickeln sich nicht ganz so zügig, wie wir erwartet haben. In einigen von ihnen scheint noch Leben zu stecken, aber nicht in vielen. Von 26 Einzelprojekten – Arbeit für ein ganzes Jahr – hab ich in 24 Fällen jede Hoffnung aufgegeben, und die anderen beiden hängen an seidenen Fäden.
    Zu erklären, warum das hier kein Porträt von McGovern ist, habe ich keine Zeit. Die Story platzte in Omaha am Morgen der Vorwahlen, als George und der größte Teil seiner Truppe plötzlich übereinkamen, dass Nixons Entscheidung, einen Showdown

Weitere Kostenlose Bücher