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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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besteht darin, die Journalisten ausschließlich mit positiven Nachrichten zu füttern. Schließlich hat es keinen Sinn, eine Pressekonferenz anzuberaumen, um zu verkünden, dass in diesem Monat kein Mitglied des Stabs bezahlt werden kann, weil drei oder vier der wichtigsten Geldgeber soeben telefonisch mitgeteilt haben, dass sie aussteigen und jede Hoffnung auf einen Sieg fahren lassen.
    Wenn so etwas geschieht, ist es ratsam, schnell alle Türen abzuschließen, aber vorher noch den Pressebeauftragten rauszuschicken, damit er – ganz inoffiziell natürlich und hinter vorgehaltener Hand – verlauten lässt, des Gegners Wahlkampfkoordinator für Kalifornien habe soeben angerufen und sich um einen Job beworben.
    Diese Art hinterfotziger Sauerei gehört bei den meisten Wahlkampagnen zum Standardrepertoire. Man geht davon aus, dass jeder es versteht – sogar die Reporter, die sich kaum das Lachen verbeißen können, wenn sie es sich für die Titelseite der Morgenausgabe notieren: SR. MACE LEUGNET AUSSTIEGSGERÜCHTE; PROPHEZEIT TOTALEN SIEG IN ALLEN STAATEN …
    Bestes Beispiel für diese Art Berichterstattung im gegenwärtigen Wahlkampf ist das, was aus Muskies Lager kommt. In den letzten Wochen ist die Wahrheit derart grausam gewesen, dass sich einige Journalisten besonders bemüht haben, die armen Schlucker zu schonen und in ihren Artikeln nicht mehr als unbedingt nötig niederzumachen.
    Zu einer der wenigen lustigen Episoden während der Kampagne zur Vorwahl in Florida kam es, als Muskies Wahlkampfmanager für diesen Staat, Chris Hart, bei einem Treffen mit Vertretern der anderen Kandidaten auftauchte, um zu erläutern, warum Big Ed die Teilnahme an einer Fernsehdebatte verweigerte. Hart sagte: »Meine Instruktionen lauten, dass der Senator nie wieder einer Situation ausgesetzt werden darf, in der er schnell denken muss.«
    Am selben Abend lachte jeder Journalist in Miami über den Lapsus von Hart, aber niemand veröffentlichte etwas darüber, und keiner der Fernsehreporter erwähnte etwas in seiner Sendung. Nicht einmal ich schlachtete es aus, obwohl ich in Washington davon hörte, als ich meine Sachen packte, um wieder nach Florida zu fliegen.
    Ich weiß noch, dass ich Hart anrufen und fragen wollte, ob er wirklich dergleichen gesagt hatte. Aber dort unten in Florida war mir nicht mehr danach. Muskie steckte offenbar schwer in der Klemme, und Hart hatte mich anständig behandelt, als ich im Hauptquartier aufgetaucht war, um mich für die gruselige Fahrt im »Sunshine Special« einzutragen … und daher dachte ich: Was soll’s? Wärmen wir’s nicht wieder auf.
    Die anderen Journalisten hatten sicher ihre individuellen Gründe, Harts Zitat nicht zu verwenden, aber so genau weiß ich es nicht, denn ich habe keinen von ihnen gefragt. Rückblickend denke ich, alle mussten Muskies Wahlkampf wohl bereits als gescheitert angesehen haben, und niemand wollte so niederträchtig sein, die Überlebenden wegen einer Aussage zu quälen, die inzwischen nicht mehr wichtig schien.
    Muskie ist erledigt. Ihm bleibt als einzige Hoffnung, bis zum Juli einen langen Urlaub in Neuseeland zu machen und das Ibogain aus dem Körper zu schwitzen, damit er anschließend in Miami auftauchen und darum beten kann, dass es auf dem Nominierungskonvent zu einem Patt kommt. Dann könnte er sich als »Kompromisskandidat« opfern, George Wallace den Job des Vizepräsidenten anbieten und schließlich dem Nominierungskonvent eine Muskie/Wallace-»Gemeinschaftsliste der Einheit« präsentieren.
    Womit man vielleicht aus der Bredouille wäre. Zumindest würde ein solches Vorgehen von all den Leuten unterstützt, die wie ich der Meinung sind, die Demokratische Partei sei nur dadurch zu retten, dass man sie zerstört. Das habe ich auch versucht, McGovern zu erläutern, aber es ist kein Thema, über das er sich gern unterhält. Er ist sehr nervös, weil er sich möglicherweise in die Rolle eines »Stimmenräubers« à la McCarthy manövriert, der ohne eigene Siegerchance nur die Chancen seiner Gegner verringert. Danach sah es tatsächlich aus, bis er dann einen gehörigen Anteil der Bauarbeiter-Wählerschaft von New Hampshire für sich gewann und zum ersten Mal spürte, dass da vielleicht eine Koalition keimte, die ihn zum ernsthaften Herausforderer statt nur zu einem von vielen Märtyrern machen könnte.
    In New Hampshire deutete es sich nur an, aber in Wisconsin kam es mit einer Entschiedenheit zum Tragen, die im alkoholisierten Chaos des Wahlabends noch

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