Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Händen.«
»Ich weiß. Sie haben sie ja auch fürchterlich vertrimmt.«
»Was?«
»Sehen Sie sich diese Fotos an, Virgil. Sind so ungefähr die abscheulichsten Bilder, die ich je gesehen habe.«
»Fotos?«
Squane reicht sie über den Tisch.
»Oh, mein Gott!«
»Sag ich ja, Virgil!«
»Nein, das kann ich nicht sein! Das Mädchen hab ich ja nie gesehen! Himmel, die ist ja noch ein Kind!«
»Deswegen sind die Fotos ja so abscheulich, Virgil. Sie haben noch mal Glück gehabt, dass wir damit nicht auf der Stelle zur Polizei gegangen sind, um Sie einlochen zu lassen!« Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Das ist Vergewaltigung , Virgil! Das ist Sodomie ! Mit einem Kind !«
»Nein!«
» Ja , Virgil – und jetzt müssen Sie dafür bezahlen.«
»Wie? Wovon reden Sie eigentlich?«
Wieder lächelt Squane. »Stimmen, mein Freund. Ihre und noch fünf dazu. Sechs Stimmen für sechs Negative. Geht das klar?«
Tränen der Wut in den Augen. »Sie elender Hurensohn! Sie wol len mich erpressen!«
»Lächerlich, Virgil. Lächerlich. Ich spreche von Koalitionspolitik.«
»Ich kenne noch nicht mal sechs Delegierte. Zumindest nicht persönlich. Außerdem wollen die alle irgendwie belohnt werden.«
Squane schüttelt den Kopf. »Kommen Sie mir nicht damit, Virgil. Davon mag ich nämlich gar nichts hören. Bringen Sie mir nur sechs Namen von dieser Liste bis morgen Mittag. Und wenn die alle richtig abstimmen, dann werden Sie nie wieder ein Wort von dem hören, was gestern Nacht geschehen ist.«
»Und wenn ich es nicht schaffe?«
Squane lächelt, dann schüttelt er traurig den Kopf. »Dann wird sich Ihr Leben zum Schlechten wenden, Virgil.«
Von Junkie zu Junkie
Ach, böser Wahnsinn … eine solche Szene kann noch endlos weitergehen. Kranke Dialoge lassen sich leicht schreiben, wenn man fünf Monate auf Wahlkampftour hinter sich hat. Sinn für Humor wird von denen nicht verlangt, die sich so weit auf die Präsidentschaftspolitik einlassen. Junkies lachen nicht oft; dazu ist ihre Show zu ernst – und der Politiksüchtige ist in dieser Hinsicht nicht viel anders als der Heroinsüchtige.
Das High ist in beiden Welten sehr real, zumindest für diejenigen, die darauf aus sind – aber jeder, der versucht hat, mit einem H-Junkie zusammenzuleben, wird einem sagen, dass es nicht zu schaffen ist, es sei denn, man selbst hat gelernt, mit der Nadel und den Schüssen umzugehen.
In der Politik ist es nicht anders. Da gibt es ein fantastisches Adrenalin-High, das aus dem totalen Engagement für eine politische Kampagne resultiert, die unter Hochdruck läuft – besonders wenn man alles gegen sich hat und sich dennoch langsam wie ein Sieger zu fühlen beginnt.
Soweit ich weiß, bin ich der einzige Journalist bei der Präsidentschaftskampagne 1972, der selbst mal auf der anderen Seite mitgemischt hat – sowohl als Kandidat als auch als Amateurpolitiker auf lokaler Ebene –, und trotz all der Unterschiede zwischen der Freak-Power-Kandidatur als Sheriff von Aspen und der als wohlanständiges Mitglied der Demokratischen Partei für die Präsidentschaft sind doch die Wurzeln überraschend ähnlich … und welche tatsächlichen Unterschiede auch immer bestehen, treten sie doch in den Hintergrund angesichts der riesigen, unüberbrückbaren Kluft zwischen der aufgeputschten Realität des Lebens im Zentrum einer voranrollenden Kampagne – und der teuflisch tödlichen Öde, die ein Journalist ertragen muss, der dieselbe Kampagne begleitet, um von außen Einblick zu gewinnen.
Und so wie nur jemand, der selbst die Nadel überwunden hat, verstehen kann, welcher Abgrund einen von der Existenz trennt, die ein Junkie führt … so hat auch der beste und talentierteste Journalist keine Chance, wirklich zu verstehen, was innerhalb einer politischen Kampagne vonstattengeht, es sei denn, er hat sich einmal in deren Zentrum befunden.
Sehr wenige Presseleute, die die McGovern-Kampagne begleiten, verfügen über mehr als nur ein oberflächliches Verständnis davon, was im Zentrum wirklich vorgeht … und wenn sie mehr als das haben, dann erwähnen sie es weder in ihren Artikeln noch in ihren Sendungen. Aber nachdem ich ein halbes Jahr damit verbracht habe, diesem gottverdammten Zoo durchs ganze Land zu folgen und der Politmaschinerie bei der Arbeit zuzuschauen, bin ich willens, eine hohe Wette darauf abzuschließen, dass nicht mal die privilegiertesten Insider im Pressekorps der Kampagne viel weniger sagen, als sie wissen.
Angst und
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