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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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bedürftige alte Liberale ohne Charisma eingeliefert werden.
    Aber etwas ging schief, und als Lindsay in Wisconsin eintraf, um das Terrain auf der Linken einzunehmen, das laut Strategieplan auf ihn wartete – musste er feststellen, dass es bereits eingenommen war und an seinen Grenzen von einer Legion verbissener Fanatiker, die in McGoverns Sold standen, bestens bewacht wurde.
    Gene Pokorny, McGoverns 25-jähriger Wahlkampfmanager für Wisconsin, hatte den ganzen Bundesstaat im Griff. Seit dem Frühling 1971 hatte er nonstop gearbeitet und sich dabei an einem Strategieplan orientiert, der dem Lindsays bemerkenswert ähnlich war. Der Hauptunterschied stach natürlich ins Auge, und doch gingen beide Strategieentwürfe ganz offensichtlich von derselben Theorie aus: Muskie würde schon früh einpacken, weil das Zentrum nicht nur unhaltbar war, sondern wahrscheinlich gar nicht existierte … und anschließend würde das Rennen der Demokraten auf einen kurzen, aber schmerzhaften Bürgerkrieg hinauslaufen, auf eine gnadenlose Entscheidungsschlacht zwischen der alten Garde auf dem rechten Flügel und einer Gang junger Unbekannter auf dem linken.
    Die Namensfelder auf Lindsays Strategieplan waren noch leer, aber man arbeitete mit der Hypothese, dass in Kalifornien die Entscheidung zwischen Muskie auf der Rechten und Lindsay auf der Linken fallen würde.
    Pokornys Ausarbeitung war ungefähr ein Jahr älter als die von Lindsay, und sämtliche Namen waren eingetragen – bis hin zu den Vorwahlen in Kalifornien, wo auf den letzten beiden Feldern die Namen »McGovern« und »Humphrey« standen. Der einzige weitere Unterschied zwischen den beiden Strategieplänen bestand darin, dass Lindsays keine Unterschrift trug, während Pokornys Plan rechts unten mit »Hart, Mankiewicz & McGovern – Architekten« signiert war.
    Auch Lindsays Finanziers wussten die Zeichen in Wisconsin zu deuten. Als er dort eintraf, war auf der Linken kein Quadratmeter Terrain mehr zu erobern. Die Lindsay-Kampagne stützte sich von Anfang an auf die Annahme, dass Muskie zumindest so stark sein würde, McGovern aufs Altenteil zu schicken, bevor er das Zentrum aufgab. Auf dem Papier erschien das absolut einleuchtend, aber 1972 war kein besonders gutes Jahr für Theorien auf dem Papier, und McGoverns Durchbruch in Wisconsin wurde von einer Menge Leute, die es hätten besser wissen müssen, als »schockierend« und »abstrus« abgetan.
    Wisconsin war der Ort, wo er ein funktionierendes Modell für die wacklige Koalition fand, die den Rest der Vorwahlenkampagne zu einem Abfahrtsrennen machte. Wisconsin räumte sämtliche Hindernisse aus dem Weg bis auf die Leiche von Hubert Humphrey, der sich bis zum bitteren Ende wie ein tollwütiges Stinktier zur Wehr gesetzt hatte, bis unter die Schädeldecke vollgepumpt mit dem besten Speed, das George Meanys Ärzte für ihn auftreiben konnten. Stets zu mitternächtlicher Stunde nahm er Bargeld und neue Anweisungen von Al Barkan entgegen, Meanys Mann fürs Grobe, und Tag für Tag attackierte er McGovern aufs Neue, brutal und heimtückisch, immer auf den fragwürdigsten Schwachpunkt zielend, den die gewieftesten Rechercheure der Gewerkschaftsbosse für ihn ausgruben …
    Es war ein scheußlicher Abgesang für Hubert. Seit mehr als zwanzig Jahren hatte er Big Labor zahllose Schuldscheine unterschrieben, und es muss ihm einen schlimmen Schock versetzt haben, dass Meany von ihm verlangte, sie alle auf einmal zu begleichen.
    Aber wie? George Meany, der 77-jährige Quarterback der »Stoppt McGovern«-Bewegung, leidet, wie man hört, in dieser Phase der Partie an Hirnschwund und ist total paralysiert. Seine Büttel halten ihn in Quarantäne, seit er, gebeutelt von akuten Angstzuständen, vor fünf Tagen in Florida eintraf. Er war mit der Bahn vom AFL-CIO-Hauptquartier in Washington angereist, aber man hatte ihn irgendwo in der Nähe von Fort Lauderdale aus dem Zug holen und in aller Eile in ein feudales Motel bringen müssen, wo sich sein Zustand übers Wochenende rapide verschlechterte und schließlich am Montagabend in einem verheerenden Schlag kulminierte, als er sich den Nominierungskonvent der Demokraten im Fernsehen anschaute.
    Noch bleibt das Geschehen geheimnisumwittert, obwohl sich die 5000 renommierten Journalisten, die hier aufgetaucht sind, um Meanys letzte Taten mitzuerleben, nach besten Kräften um Aufklärung bemühen. Aber nach Aussagen eines reichen Gewerkschaftsbonzen, der Augenzeuge war, verlor der alte Mann total

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